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Gutes Arbeiten mit Augustinus

Seit Jahrhunderten führen die Cellitinnen in Köln ein Unternehmen mit zahlreichen Einrichtungen. Laut Diakon Jens Freiwald liegt ihr Erfolg auch an einer christlichen Arbeitskultur.
Ausstellung der Ordensgemeinschaft der Cellitinnen in Köln.
Foto: Hoensbroech | Ausstellung der Ordensgemeinschaft der Cellitinnen in Köln.

 „Wie Glaube das Leben bewegt“ ist die Dauerausstellung betitelt, die die Stiftung der Cellitinnen an ihrem Sitz im Kölner Stadtteil Longerich präsentiert. Die Schau vermittelt einen Eindruck davon, wie sich die Ordensgemeinschaften der Cellitinnen zur heiligen Maria sowie der Genossenschaft der Cellitinnen nach der Regel des heiligen Augustinus seit Jahrhunderten engagierten und damit den Grundstock für ein modernes Unternehmen gelegt haben. Denn die Krankenhäuser, Fachkliniken, Pflegezentren, Seniorenhäuser sowie viele weitere Einrichtungen und Angebote dieses sozial-caritativen Dienstleisters befinden sich seit Ende des Jahres 2022 unter einem Dach der Stiftung der Cellitinnen. Darüber, wie sich hier eine spezielle christliche Unternehmenkultur entwickelt hat, kann Diakon Jens Freiwald berichten. Er ist bei der Stiftung der Cellitinnen genau für diesen Bereich zuständig.

Diakon Freiwald, was macht eine alte Maschine für die Herstellung von Spekulatius in einer Ausstellung über die Wurzeln und das Leben der Cellitinnen?

Die Maschine steht vor einem Bild, das Ordensschwestern beim Backen im Kölner Sankt-Anna-Hospital zeigt. Die Anna-Plätzchen wurden in der Adventszeit in großen Mengen produziert und verteilt. In der Ausstellung illustriert die Maschine somit ein Stück lebendiger Sozialgeschichte, die seit Jahrhunderten bis heute die Ordensgemeinschaften sowie deren in der Stiftung der Cellitinnen zusammengefasste Einrichtungen prägt.

Folgt die Stiftung dabei einem Leitgedanken?

Lassen Sie mich aus der Präambel der Stiftungssatzung zitieren: „Einfach da sein. Da sein für andere – ohne Vorbedingungen und Vorbehalte. Diesen Geist der Gründerinnen zu bewahren, wertzuschätzen und zeitgemäß in konkrete Taten umzusetzen, ist die Aufgabe aller im Unternehmensverbund Tätigen.“ Wir haben die Leitworte der beiden vorherigen Stiftungen – Der Mensch in guten Händen sowie Einfach da sein – in der Stiftung der Cellitinnen zusammengeführt. 

Was bedeutet das konkret, gerade mit Bezug auf Ihre Tätigkeit als Leiter Christliche Unternehmenskultur?

Theologisch betrachtet gehen wir gemäß der Regel des heiligen Augustinus von dem Gedanken einer engen Verbindung von Gottes- und Nächstenliebe aus. Wenn unsere Mitarbeiter für die Menschen in unseren Einrichtungen einfach da sind, glauben wir, dass in dieser Beziehung Gottes guter Geist wirksam ist. Darauf aufbauend ist christliche Unternehmenskultur ein grundlegender Bestandteil für unsere Stiftung mit rund 14.000 Mitarbeitern. Aber sie gilt natürlich für die Gestaltung des Arbeits- und Lebensalltags in jeder einzelnen unserer rund 100 Einrichtungen, bei unseren Angeboten sowie mobilen Dienstleistungen. Auf der Basis unseres christlichen Weltbilds stehen dabei die Beziehungen zu unseren unterschiedlichen Kunden, aber eben auch die Beziehungen zu und zwischen unseren Mitarbeitern oder den Ehrenamtlichen im Fokus unseres praktischen Arbeitens und unternehmerischen Handelns.

Können Sie die Arbeitspraxis etwas genauer beschreiben?

In der Praxis unserer Arbeit bedeutet „einfach da sein“ volle Zuwendung und Präsenz. Die Aufgabe  der Stiftung ist die Unterstützung alter wie junger kranker, sterbender, betreuungsbedürftiger, psychisch oder körperlich beeinträchtigter Menschen. Diese Zuwendung und Präsenz gilt auch für alle mit der Christlichen Unternehmenskultur zusammenhängenden Aufgaben, die in unterschiedlichen Bereichen des Unternehmens angesiedelt sind. Das reicht von der Verwaltung des Klosters über die Integration der in unseren Seniorenhäusern tätigen Ordensgemeinschaften aus Afrika und Indien, die wertorientierte Schulung von Führungspersonal, die Organisation der Zusammenarbeit mit der Krankenhausseelsorge, die ethische Qualifizierung und Begleitung von Mitarbeitern oder auch die Organisation des Ordenstages sowie der jährlichen Wallfahrt der Bewohner unserer Seniorenhäuser.

Inwiefern kann Christliche Unternehmenskultur in diesem Umfeld auch Nicht-Christen ansprechen?

Zunächst einmal: Es geht ja um caritatives Handeln, sozialen Ausgleich und Gerechtigkeit für Menschen, die sich in unterschiedlichsten bedrohlichen Not- und Lebenslagen befinden. Darin unterscheiden wir uns nicht grundsätzlich von weiteren Trägern und Institutionen, die hier als soziale Dienstleister aktiv sind. Was bei uns konstitutiv dazukommt, ist unsere christliche Prägung und unser Selbstverständnis. Und da stellt sich dann die Herausforderung, wie wir auch zukünftig da sein können in einer Zeit, in der die Ordensschwestern eben nicht mehr die Präsenz haben, die sie über viele Jahrhunderte hatten. Das bedeutet nicht, dass wir nur christlich geprägte Mitarbeiter oder Kunden ansprechen. Nein, vielmehr geht es darum, unaufdringlich diesen christlichen Geist als Quelle unseres Handelns in der Praxis erlebbar werden zu lassen oder auch als Angebot einzubringen.

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Bei jedem Unternehmen, gerade in solch einer Größenordnung werden auch Fehler gemacht. Wie gehen Sie damit um?

In den unterschiedlichen Bereichen unseres Unternehmens gibt es hierzu sehr spezifische Regelungen. Das reicht von standardisierten Beschwerdemanagementsystemen bis hin zu Leitfäden für Mitarbeitergespräche. Der offene Umgang mit Fehlern, deren Aufarbeitung und das Lernen daraus bringen uns insgesamt sowie in unseren jeweiligen Arbeitsbereichen weiter. Das gehört zu einer belastbaren, sozialen Arbeitskultur.

Geben Sie bitte ein Beispiel, was Christliche Unternehmenskultur im Umgang mit Patienten und Bewohnern bedeutet?

Ganz praktisch lässt sich das beispielsweise an unseren zahlreichen Mitarbeitern, überwiegend Frauen, ablesen, die sich zusätzlich als Begleiterinnen und Begleiter in der Seelsorge haben qualifizieren lassen. Zuletzt wurden im März neun Mitarbeiterinnen aus den Seniorenhäusern nach Abschluss eines solchen Kurses damit beauftragt. Diese Personen geben liturgische Impulse, feiern Gottesdienste oder gehen in Einzelgesprächen sensibel auf individuelle Bedürfnisse ein, sie schenken Hoffnung, hören zu, spenden Trost.

Wie kann eine Perspektive bei Menschen aufgezeigt werden, die sich in einer ausweglosen Situation befinden oder hoffnungslos am Ende ihres Lebensweges angekommen sind?

Einfach da zu sein bedeutet in solch einer Situation, nicht einfach zu vertrösten im Sinne von: Es wird schon wieder gut. In ausweglosen Situationen kommt es besonders sensibel darauf an, die Augen nicht zu verschließen, solidarisch zu bleiben, die Hand zu halten, den Blick zu suchen und auszuhalten, aber auch die gemeinsamen schönen und wertvollen Momente zu genießen und als Geschenk anzunehmen, die selbst in solchen intensiven Momenten entstehen können.

Der Fachkräftemangel trifft alle Träger gleichermaßen und sicherlich auch die Stiftung …

In der Tat: Der Mangel an Fachkräften ist das Hauptproblem. Für uns kommt zudem noch die Frage hinzu, wie wir Mitarbeiter gewinnen, die bewusst innerhalb eines institutionsspezifischen christlichen Profils arbeiten wollen. Dazu gibt es entsprechende arbeitsrechtliche Grundlagen. Durch die Reform der Grundordnung des kirchlichen Dienstes sind die sogenannten Tendenzstellen ohnehin sehr stark eingeschränkt worden. Unabhängig davon erlebe ich tagtäglich voller Freude und Dankbarkeit eine sehr starke, authentische Motivation und Identifikation unserer Mitarbeiter in ihrer Arbeit. Christlicher Geist wird in erster Linie dadurch sichtbar, wie er gelebt wird. Wie Mitarbeiter dahinterstehen, ihre sinnstiftende Arbeit wahrzunehmen – das strahlt aus und kann beispielhaft sein auch für Menschen, die sich auch ohne oder mit eher christlich kritischem Hintergrund für eine Arbeit bei uns interessieren. Dabei kann uns auch die neue Dauerausstellung sicherlich unterstützen.

Inwiefern?

Die Ausstellung ist auf den beiden Etagen angelegt, in denen sich unsere Seminar- und Tagungsräume befinden. So können sich unsere Mitarbeiter, die an Gremiensitzungen oder Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen teilnehmen, sehr anschaulich über die Geschichte der Gründerinnen ihres Unternehmens, also der Ordensfrauen und deren Tätigkeiten informieren. Aber auch für interessierte Besucher von außerhalb ist die Ausstellung zu bestimmten Zeiten zugänglich. Die Ausstellung zeigt, wie sich zwei von der christlichen Wertekultur geprägte Ordensgemeinschaften fortlaufend durch die Jahrhunderte solidarisch zu Hilfsbedürftigen verhalten haben. Unsere Aufgabe ist es, dies in unserer Zeit so fortzuführen, dass das eine gute Zukunft hat.

Die Ausstellung gibt einen Einblick in die Arbeit der Ordensgemeinschaften der Cellitinnen in Köln. Der Besuch der Ausstellung ist kostenlos, an jedem 2. und 4. Donnerstag eines Monats findet ab 17 Uhr eine Führung statt. Interessierte können sich telefonisch anmelden unter: 0221/974514-0. 

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