Der wegen Schismas vom Glaubensdikasterium angeklagte Erzbischof Carlo Maria Viganò hat nun Papst Franziskus selbst des Schismas und der Häresie bezichtigt. In einem am Wochenende auf der Internetseite seiner Stiftung veröffentlichten Manifest mit dem Titel „J‘accuse“ (ich klage an) schreibt er: „Vor meinen Brüdern im Episkopat und dem gesamten Kirchenkörper klage ich Jorge Mario Bergoglio der Häresie und des Schismas an, und als Häretiker und Schismatiker fordere ich, dass er verurteilt und vom Thron entfernt wird, den er seit über elf Jahren unwürdig besetzt hat.“
Der Titel ist eine Anspielung auf den Schriftsteller Emile Zola, der vor 126 Jahren unter jenem Titel in einer Pariser Zeitung einen Brief zur Dreyfus-Affäre veröffentlicht und damit dafür gesorgt hat, dass der jüdische Hauptmann Alfred Dreyfus, der zuvor zu Unrecht des Landesverrats beschuldigt worden war, rehabilitiert wurde. Der Skandal hatte die Pariser Politik und Gesellschaft im 19. Jahrhundert jahrelang gespalten. Zolas Brief gilt als vorbildliches Beispiel für den Mut, Machtmissbrauch öffentlich anzuprangern. Viganò äußerte sich am 28. Juni, dem letzten Tag der Verteidigungsfrist, die ihm das Glaubensdiskasterium vor zwei Wochen gesetzt hatte, und versteht seine Worte als „Verteidigung der heiligen Kirche Christi".
Viganò: Papst bekennt nicht den katholischen Glauben
Viganò wirft dem Papst, den er nur mit dessen bürgerlichem Namen nennt, unter anderem vor, zur Impfung gegen das Corona-Virus aufgerufen und das Geheimabkommen zwischen China und dem Heiligen Stuhl unterzeichnet zu haben. Auch beschuldigt er Franziskus, mit Blick auf die durch ihn angestoßene synodale Kirche, nicht den katholischen Glauben zu bekennen. Dies zeige sich darin , dass viele „an einer Vielzahl von Irrtümern und Häresien“ festhielten, „die bereits vom unfehlbaren Lehramt der katholischen Kirche verurteilt wurden, und durch ihre ostentative Ablehnung aller Lehren, moralischen Gebote, gottesdienstlichen Handlungen und religiösen Praktiken, die nicht von ,ihrem‘ Konzil gebilligt wurden“.
Während für Katholiken die Kirche die eine, heilige, katholische und apostolische sei, sei sie für Bergoglio „konziliar, ökumenisch, synodal, inklusiv, einwandererfreundlich, öko-nachhaltig und gay-friendly“, so Viganò weiter. Außerdem verurteilt er Franziskus' Festhalten am „Klimaschwindel" und neben den „jüngsten Irrlehren in Bezug auf die ,synodale Kirche'" auch „die Neuformulierung des Papsttums in einem ökumenischen Schlüssel, die Zulassung von Ehebrechern zu den Sakramenten und die Förderung der Sodomie und der ,Gender'-Ideologie".
„Verteidigung der heiligen Kirche Christi“
Viganò moniert, dass sich die Kirche dem Zeitgeist anpasse, dem Wahren das Absolute nehme und es relativiere. Er spricht von „stillschweigenden Duldungen, von komplizenhaftem Augenzwinkern, mit denen die obersten Ränge der Konzilshierarchie den Übergang ... von der klaren und eindeutigen Formulierung der Dogmen - zum gegenwärtigen Glaubensabfall ermöglicht haben". Wörtlich schreibt der Erzbischof: „Wir befinden uns in einer surrealen Situation, in der eine Hierarchie sich katholisch nennt und daher von der kirchlichen Körperschaft Gehorsam verlangt, während sie gleichzeitig Lehren verkündet, die die Kirche vor dem Konzil verurteilt hatte, und die Lehren als häretisch verurteilt, die bis dahin von allen Päpsten gelehrt worden waren“.
Weiter heißt es in seinem Text, dass die Freimaurerei ausgehend vom Zweiten Vatikanischen und dem Ökumenischen Konzil „in die Hierarchie eingedrungen“ sei und es geschafft habe, „sie dazu zu bringen, die ihr zur Verfügung stehenden geistigen Waffen niederzulegen und dem Feind die Tore der Zitadelle im Namen des Dialogs und der universellen Brüderlichkeit zu öffnen – Begriffe, die eben den Freimaurern eigen sind“.
Nicht Rebellion, sondern moralische Notwendigkeit
Viganò sieht in seiner Anklage den Rechtsgrundsatz der katholischen Kirche, nach dem der Papst von niemandem vor Gericht gezogen werden kann, nicht verletzt, „denn es ist klar, dass ein Ketzer, sofern er nicht in der Lage ist, das Papstamt zu übernehmen, nicht über den Prälaten steht, die über ihn urteilen“. Er beruft sich dabei auf Erzbischof Marcel Lefebvre, der 1979 gesagt hatte, er könne sich des Gedankens nicht erwehren, dass er es sei, der über das Offizium urteilen solle. Außerdem wiederholt Viganò seine Worte vom 20. Juni, dass er die Autorität des Glaubensdikasteriums, seines Präfekten und des Papstes nicht anerkenne.
Damit spricht sich der Erzbischof das Urteil selbst, denn er stellt sich außerhalb der Gemeinschaft mit dem Papst und den Bischöfen. Eigenen Worten zufolge sei seine Entscheidung „nicht das Ergebnis von Eile oder eines Geistes der Rebellion“, sondern sie sei von „der moralischen Notwendigkeit diktiert, die mich als Bischof und Nachfolger der Apostel im Gewissen verpflichtet, für die Wahrheit Zeugnis abzulegen, das heißt für Gott selbst“.
Viganò droht die Exkommunikation. Möglich ist bei der Straftat eines Schismas auch, dass Aufenthaltsverbote, Geldbußen und das Verbot, geistliche Kleidung zu tragen, verhängt werden. Bei „andauernder Widersetzlichkeit“ sieht das Kirchenrecht weitere Strafen vor, wie die Entlassung aus dem Klerikerstand. Für den weiteres Prozess hatte das Dikasterium angekündigt, ihm einen Pflichtverteidiger zur Seite zu stellen, sollte er sich nicht selbst um eine Prozessvertretung kümmern.
Viganò war ab 1973 im Diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls und zwischen 2011 und 2016 Nuntius in den USA. Nach Ende seiner Amtszeit entwickelte er sich zu einem der schärfsten Kritiker von Papst Franziskus. Unter anderem hatte er ihm schwere Versäumnisse im Umgang mit Theodore Mc Carrick vorgeworfen, der mittlerweile aus dem Kardinals- und Klerikerstand entlassen worden ist. Politisch gilt Viganò als Anhänger des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump und des russischen Präsidenten Wladimir Putin. DT/dsc
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