Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Aus für den Synodalen Rat

„Wer berät, der entscheidet nicht“

Der Kirchenrechtler Heribert Hallermann ordnet das Treffen der deutschen Bischöfe mit Vatikan-Vertretern ein: Mehr als ein beratendes Gremium wie den Pastoralrat werden die deutschen Diözesen nicht realisieren können.
Irme Stetter-Karp und Georg Bätzing
Foto: Angelika Zinzow (KNA) | Nach dem von der Gemeinsamen Presseerklärung besiegelten „Aus“ für einen „Synodalen Rat“ bleibt die Frage, wie denn Synodalität in der Kirche auf den Ebenen der einzelnen Diözesen und der Bischofskonferenz realisiert ...

Die Gemeinsame Presseerklärung des Heiligen Stuhls und der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) zu den Gesprächen am 22. März 2024 markiert eine klare Zäsur im Vorhaben des „Synodalen Weges“, mit dem „Synodalen Rat“ ein mit Bischöfen und Laien paritätisch besetztes gemeinsames Beratungs- und Entscheidungsgremium zu schaffen: Das intendierte Gremium der Aufsicht und der Kontrolle über das Handeln der einzelnen Bischöfe sowie der Bischofskonferenz wird mit der Römischen Kurie nicht zu realisieren sein – weder mit der Bezeichnung „Synodaler Rat“ noch mit einer anderen Bezeichnung.

Lesen Sie auch:

Bemerkenswert ist, dass dieses Ergebnis in der gemeinsam zwischen der DBK und dem Heiligen Stuhl abgestimmten Presseerklärung nicht als ein römisches Diktat, sondern als „gemeinsame Übereinkunft“ ausgewiesen wird, obwohl diese dem vom Synodalen Weg beschlossenen Handlungstext „Synodalität nachhaltig stärken. Ein Synodaler Rat für die katholische Kirche in Deutschland“ fundamental widerspricht. Bereits in dem von Papst Franziskus approbierten Brief vom 16. Februar 2024 an den Vorsitzenden und die Mitglieder der DBK hatten die vier Kardinäle unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: Ein sogenannter „Synodaler Rat“ als ein Beratungs- und Beschlussorgan, das paritätisch über wesentliche Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft berät und Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen der Kirche sowie Finanz- und Haushaltsangelegenheiten der Kirche trifft, ist vom geltenden Kirchenrecht nicht vorgesehen und widerspräche diesem.

Im Widerspruch zum Kirchenrecht

Ein solches paritätisches Gremium widerspricht aber nicht nur der kirchlichen Rechtsordnung, sondern auch der Communio-Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils. Es beruht nämlich auf einer merkwürdigen, vom ZdK seit Jahrzehnten vorgetragenen und eigenartigerweise von den deutschen Bischöfen stets tolerierten „Zwei-Säulen-Ekklesiologie“ mit den Bischöfen auf der einen und den Laien auf der anderen Seite. Dieses konzilswidrige Konstrukt hätte mit dem „Synodalen Rat“ eine Aufgipfelung erfahren und die mittels dieser „Ekklesiologie“ ständig angefeuerte Machtfrage in der Kirche wäre institutionell und strukturell auf Dauer gestellt worden.

Nach dem von der Gemeinsamen Presseerklärung besiegelten „Aus“ für einen „Synodalen Rat“ bleibt die Frage, wie denn Synodalität in der Kirche auf den Ebenen der einzelnen Diözesen und der Bischofskonferenz realisiert werden kann. Dass es beiden Seiten ein großes Anliegen ist, Synodalität im Leben der Kirche im Blick auf eine wirksamere Evangelisierung zu stärken, ist der Gemeinsamen Presseerklärung ebenfalls zu entnehmen. Was in Übereinstimmung mit der Ekklesiologie des II. Vatikanischen Konzils, den Vorgaben des Kirchenrechts und den absehbaren Ergebnissen der Weltsynode bleibt, ist ein beratendes Gremium wie der Pastoralrat.

Es braucht eine neue und gepflegte Kultur der Beratung

Damit ein solches Gremium fruchtbar arbeiten kann, braucht es allerdings andere Voraussetzungen als die, die heute in der Kirche – nicht nur in Deutschland – gegeben sind: Es braucht erstens eine neue und gepflegte Kultur der Beratung, in der der Grundsatz jeder seriösen Beratung realisiert wird: „Wer berät, der entscheidet nicht!“.

Zweitens müsste in der kirchlichen Rechtsordnung der Pastoralrat nicht nur fakultativ wie in cc. 511-514 CIC, sondern als ein obligatorisches Beratungsgremium normiert werden, und zwar auf der Ebene der Diözesen wie auch auf der Ebene der Bischofskonferenz; dabei müssten aber die Zuständigkeiten im Sinne des c. 455 CIC beachtet werden. Dem Pastoralrat, der gemäß c. 512 § 2 CIC ein Spiegelbild der jeweiligen kirchlichen Communio sein soll, müssten bestimmte Kompetenzen übertragen werden, die von Rechts wegen noch beim Priesterrat oder beim Konsultorenkollegium liegen. Bestimmte andere Gremien, die auf den Ebenen der Diözesen und der Bischofskonferenz noch bestehen, müssten zu Gunsten eines zu stärkenden Pastoralrats abgeschafft werden.

Über den c. 127 § 1 Nr. 2 CIC hinaus müssten sowohl der Diözesanbischof als auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz rechtlich dazu verpflichtet werden, ein Abweichen von einem mehrheitlich oder übereinstimmend gegebenen Votum zu begründen, damit ihre Entscheidung nachvollziehbar wird.

Nach der Gemeinsamen Presseerklärung stünde es dem „Synodalen Ausschuss“ im Sinne eines konstruktiven und zukunftsgerichteten Vorgehens gut an, den Pastoralrat im genannten Sinn zu qualifizieren und dem Heiligen Stuhl Vorschläge für seine rechtliche Fortentwicklung zu präsentieren.


Der Autor ist emeritierter Professor für Kirchenrecht an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Heribert Hallermann Kirchenrechtler Papst Franziskus Zentralkomitee der deutschen Katholiken

Weitere Artikel

Kirche

„La Croix“ berichtet, dass kein Vatikan-Dokument gegen die Alte Messe geplant sei, und „The Times“ veröffentlicht einen Offenen Brief zum Erhalt des überlieferten Ritus.
04.07.2024, 15 Uhr
Meldung
Eine Frau kommt nicht in die Diakonenausbildung und zieht vor Gericht: Jetzt verurteilte ein belgisches Zivilgericht zwei Erzbischöfe wegen der kirchenrechtlichen Entscheidung.
04.07.2024, 15 Uhr
Thomas Philipp Reiter