Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen) ist zäh. Dass ihre Kabinettskollegen Karl Lauterbach (SPD) und Marco Buschmann (FDP) den Abschlussbericht der von der Bundesregierung eingesetzten „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ noch während seiner Übergabe im Bundesgesundheitsministerium Mitte April vor laufender Kamera, wenn auch nicht gleich beerdigten, so doch im Giftschrank der Ampel parkten, dürfte die Grünen-Politikerin mächtig gefuchst haben.
Jetzt oder nie
Paus schaute damals drein wie ein begossener Pudel, der gute Miene zum bösen Spiel zu machen suchte. Ähnliches dürfte für die Kritik gelten, mit denen die Empfehlungen der Arbeitsgruppe 1 der Kommission zur rechtlichen Neuregelung der Abtreibung, angefangen beim Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz bis hin zum Präsidenten der Bundesärztekammer, bedacht wurden.
Nun schlägt Paus über die Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen, deren „ständiger Gast“ sie qua Amt ist, zurück. Sieben der 16 Gleichstellungs- und Frauenministerinnen gehören, wie sie den Grünen an, fünf der SPD und drei der Linken. Allein Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf, die als Einzige gegen den Antrag stimmte, mit dem die Länder Bundestag und Bundesregierung nun zum Jagen tragen und vorgeburtliche Kindstötungen binnen des Ersten Schwangerschafts-Trimesters „rechtmäßig“ stellen wollen, ist Mitglied der CSU.
Anders als für die FDP ist die Streichung des § 218 StGB ein von den Grünen seit ihrer Gründung verfolgtes politisches Ziel. Die Europawahl hat gezeigt, dass die Grünen fürchten müssen, bei der Bundestagswahl 2025 für ihre ideologiegetriebene Gesellschaftspolitik abgestraft zu werden. Daher haben sie keine Zeit zu verlieren. Beim § 218 StGB heißt es für sie: jetzt oder nie. Anders die FDP: Die muss fürchten, noch mehr Wähler an die AfD zu verlieren und unter die Fünf-Prozent-Hürde zu rutschen, wenn sie, wie bei der Streichung des Werbeverbots für Abtreibungen (§ 219a StGB), erneut als Steigbügelhalter fungierte, nur eben diesmal für ein „Recht auf Abtreibung“.
SPD will Union nicht reizen
Die SPD will vor allem die Union nicht reizen. Die war schon gegen die Streichung des Werbeverbots für Abtreibung und hat für den Fall, dass die Ampel auch den § 218 aus dem Strafgesetzbuch striche, mit dem Gang nach Karlsruhe gedroht. Nach der Bundestagswahl käme die SPD (Stand heute) nur als Juniorpartner von CDU/CSU in einer Großen Koalition wieder an die Macht. Da macht sich ein zu erwartendes Treffen vor dem Bundesverfassungsgericht denkbar schlecht.
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