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§ 218 StGB: Länder drängen auf Neuregelung

Gleichstellungsministerinnen wollen vorgeburtliche Kindstötungen „rechtmäßig“ stellen – Nur ein Land stimmt dagegen.
34. GFMK unter dem Vorsitz Baden-Württembergs
Foto: Michael M. Roth, MicailMedia | Auf der 34. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen (GFMK) wurde mehrheitlich ein Entschließungsantrag verabschiedet, in dem „Bundestag und Bundesregierung“ aufgefordert werden, einen Regelungskatalog ...

In die Debatte um die Legalisierung vorgeburtlicher Kindstötungen im ersten Trimester der Schwangerschaft kommt neue Bewegung. Am Wochenende verabschiedeten die Länder auf der 34. Konferenz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnen (GFMK) in Ludwigsburg mehrheitlich einen Entschließungsantrag, in dem „Bundestag und Bundesregierung“ aufgefordert werden, „in einem ersten Schritt einen Regelungskatalog und Regelungsvorschläge für eine Fristenlösung für die ersten zwölf Wochen außerhalb des Strafrechts vorzulegen“. Nur der Freistaat Bayern stimmte dagegen.

Auch die Pflichtberatung soll fallen

Wie es in dem vom schwarz-grün-rot regierten Land Sachsen initiierten Antrag weiter heißt, befürworte die GFMK zudem „in diesem Zusammenhang im Einklang mit den aktuellen Empfehlungen des UN-Frauenausschusses gegenüber Deutschland anlässlich des 9. CEDAW-Staatenberichts, anstelle der vorgeschriebenen Pflichtberatung das Recht auf eine freiwillige und kostenfreie Beratung im Schwangerschaftskonflikt einzurichten“. Wobei „im Einklang mit der Expertinnenkommission der bestehende umfassende und finanziell abgesicherte Rechtsanspruch auf Schwangeren-, Familienplanungs- und Sexualberatung beibehalten werden“ und „die Kostenregelung des Schwangerschaftsabbruchs entsprechend neu“ getroffen werden müsse.

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Als „Expertinnenkommission“ wird hier die Arbeitsgruppe 1 der von der Bundesregierung eingesetzten „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ bezeichnet. Die hatte Mitte April nach einjähriger Beratung der Bundesregierung ihren Abschlussbericht übergeben. Ihre darin enthaltenen Empfehlungen waren bei katholischen Bischöfen und Moraltheologen, Lebensrechtlern und dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, auf massive Kritik gestoßen.

Frankreich als Vorbild

Wie die GFMK in der Begründung zu ihrem Antrag schreibt, sei in Deutschland „ein Schwangerschaftsabbruch immer noch ein Straftatbestand (§ 218ff. StGB)“. Dabei sei „der Zugang zu legalen und sicheren Schwangerschaftsabbrüchen Teil der reproduktiven Gesundheit als unveräußerlichem Menschenrecht von Frauen.“ Frankreich habe „als erstes Land der Welt am 4. März 2024 Abtreibung ausdrücklich zu einem verfassungsgemäßen Recht erklärt“. Das EU-Parlament habe „das Recht von Frauen auf Selbstbestimmung über ihre sexuelle und reproduktive Gesundheit bekräftigt und gefordert, dass Recht auf Schwangerschaftsabbruch in Art. 3 der EU-Grundrechtecharta zu verankern und an die Mitgliedstaaten gerichtet, Abtreibungen im Einklang mit den WHO-Leitlinien von 2022 vollständig zu entkriminalisieren sowie Hindernisse für Abtreibungen zu beseitigen und zu bekämpfen“.

Weiter heißt es in der Begründung, die Expertinnenkommission habe „diesbezüglich klar und einstimmig festgestellt: ,Die §§ 218 ff. StGB – Strafbarkeit des Schwangerschaftsabbruchs – widersprechen in ihrer aktuellen Fassung dem erarbeiteten Ergebnis der verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung. Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in der Frühphase der Schwangerschaft ist nicht haltbar‘.“ Diese Einschätzung treffe „zugleich auf gewandelte gesellschaftliche Anschauungen“.

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Aktuellen Umfragen zufolge stehe „die Mehrheit der Bevölkerung einer Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten zwölf Wochen aufgeschlossen gegenüber. Die Umsetzung der Empfehlungen der Expertinnenkommission zur Liberalisierung der strafgesetzlichen Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch“ sei daher auch keine „Vorwegnahme einer gesellschaftlichen Debatte“, sondern müsse „vielmehr als Angleichung an die vorherrschenden gesellschaftlichen Anschauungen und die Lebensrealität der Bevölkerung“ betrachtet werden. „In diesem Zusammenhang“ sei „auch die ostdeutsche Perspektive zu berücksichtigen, wonach insbesondere in der ehemaligen DDR sozialisierten Frauen die Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des StGB ein wichtiges Anliegen“ sei. „Die als ,westdeutsch‘ empfundene aktuelle Regelung“ sei damals „als Rückschritt wahrgenommen“ worden.

Bundesfamilienministerin Paus kündigt Verständigung des Kabinetts über weiteres Vorgehen an

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich zufrieden mit dem Beschluss der GFMK. „Die Gleichstellungsministerinnen haben mit dem Entschließungsantrag zum Thema Schwangerschaftsabbruch zum Ausdruck gebracht, dass sie hinter dem Selbstbestimmungsrecht der Frau stehen und eine Entkriminalisierung in den ersten drei Monaten für überfällig halten“, erklärte Paus. Die Empfehlungen der Expertenkommission legten nahe, die Rechtswidrigkeit des Schwangerschaftsabbruchs in den ersten drei Monaten abzuschaffen. Paus: „Zum weiteren Vorgehen werden wir uns in der Bundesregierung verständigen.“ DT/reh

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