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Geheimnis und Genius der Frau

Wie die Frau auch ohne Kinder Mutter sein kann und warum die Schlange ausgerechnet Eva versuchte, beleuchtete eine Tagung zur Theologie des Leibes an der Hochschule Heiligenkreuz.
Adam und Eva, Gemälde von Lucas Cranach dem Älteren, 1528
Foto: IMAGO/© ACME Imagery 2014 (www.imago-images.de) | In der Erlösung durch Christus, den zweiten, neuen Adam, wurde die natürliche Ordnung wiederhergestellt, was auch die Beziehung von Mann und Frau betrifft.

Das Geheimnis der Schöpfung besteht aus drei Wahrheiten: Gott, der die Liebe ist, schafft uns aus Liebe, für die Liebe. „Die Liebe ist demnach die grundlegende und naturgemäße Berufung des Menschen“, schrieb Papst Johannes Paul II. in „Familaris consortio“. Dementsprechend fokussierte Michael Waldstein, Professor für Neues Testament an der Franciscan University von Steubenville (USA) und Mitglied der Päpstlichen Akademie Thomas von Aquin in Rom, im Rahmen einer Tagung des Studiengangs „Theologie des Leibes“ in Heiligenkreuz auf die Analogie zwischen der Einheit der göttlichen Personen mit der Einheit der menschlichen.

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Er zitierte aus dem Johannes-Evangelium (Joh 17,20) das Gebet Jesu, in dem er den Vater bittet, die Menschen mögen in der Wahrheit und in der Liebe eins sein, wie sie – Vater und Sohn – eins sind. Die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanums „Gaudium et spes“ stelle eine Verbindung her zwischen der Trinität und der ehelichen Gemeinschaft, so Waldstein. Die Konstitution zeige, dass sich der Mensch nur durch aufrichtige Hingabe selbst finden kann. Wahre Selbstverwirklichung liege also in der gegenseitigen Selbsthingabe, die den Menschen wirklich erfüllt.

Da der Mensch aus einer Einheit von Geist, Leib und Seele bestehe, nehme der Leib an der geistigen Liebe teil. Waldstein erklärte in seinem Vortragszyklus den Unterschied der Termini „Sex“ und „ehelicher Akt“ mit einem Vergleich der Termini „Essen“ und „Mahl halten“. Das eine könnten auch die Tiere, beim ehelichen Akt jedoch werde das ganz Menschliche zum Vorschein gebracht. Herrlichkeit und Schönheit seien dabei eng miteinander verbunden. „Schönheit überzeugt ohne Argumente“, so Waldstein. „Sie ist eine gewaltlose, von innen kommende Überzeugungskraft.“

Jungfräulichkeit bedeutete, die Reinheit des Herzens zu leben und die bräutliche Bedeutung des Leibes hoch zu achten. Wie aber passen die verschiedenen Zugehörigkeiten zu Gott, zu einem selbst und zum Ehepartner zusammen? Sie stehen laut Michael Waldstein nicht in Konkurrenz zueinander: Die Zugehörigkeit zum Ehegatten sei ein exemplarisches Liebenlernen, ein Weg, der den Menschen zu Gott begleitet.

Drei Dimensionen des Frauseins

Die in den USA lehrende Philosophin Maria Wolter, eine Tochter des österreichischen Philosophen Josef Seifert, referierte in Heiligenkreuz über den „Genius der Frau“ bei Papst Johannes Paul II. Dieser habe die Würde der Frau stärker ins Bewusstsein rücken wollen, habe sich eingesetzt für berufliche Fairness und den Schutz der Mütter, so Wolter. Heute befänden wir uns in einer Krise, in der der Leib und das biologische Geschlecht nicht mehr relevant schienen. Facebook habe 58 verschiedene Geschlechter zur Auswahl eingeführt, und auch die Weltgesundheitsorganisation WHO definiere „Gender“ mit unterschiedlichen Rollen, Verhaltensweisen und Möglichkeiten. Kaum jemand traue sich noch zu sagen, was eine Frau in ihrem Wesen sei, ja selbst die emanzipiertesten Frauen enthielten sich diesbezüglich oft der doch zuvor hart erkämpften Stimme.

Wo finden wir nun die Wahrheit über die Bedeutung der Frau? Laut Edith Stein ist bereits die Frage ein Problem. Keine Frau sei „nur“ Frau: Zunächst müsse sie zwei anderen Dimensionen treu sein, nämlich ihrem Menschsein und ihrer Individualität. Die Referentin erklärte, dass alle drei Dimensionen des menschlichen Seins in einer Art Dialektik zueinander stehen. Wer denke, das Menschsein verlange nicht viel ab, irre. Der Mensch komme zunächst hilflos und abhängig zur Welt und brauche andere Menschen, um sich selbst als Mensch zu entdecken. Die Dimension des Individuums in Bezug zur Realität sei für Edith Stein und den heiligen Papst aus Polen die wichtigste Dimension und das Ziel. Verstehen wir diese nicht, können wir auch das Wesen von Mann und Frau nicht erfassen. „Unsere persönliche Individualität wird uns von anderen widergespiegelt“, so Wolter. Das Dogma der Gender-Ideologien laute, den anderen nicht zu kritisieren, doch brauche jeder den mit Liebe und Wahrheit durchdrungenen Blick des anderen. Den anderen zu kritisieren, wenn er in die Irre geht, bedeute, ihn zu lieben.

Der Leib als Gefäß der Seele

„Adam entdeckt sein Mannsein erst durch Eva“, postulierte Maria Wolter. Sie erklärte, wie – aufgrund der Gebrochenheit des Menschen durch den Sündenfall – Adam und Eva die Wahrheit über die menschliche Liebe und Person aus eigener Kraft nicht verstehen konnten. Die Schlange habe Eva nicht etwa versucht, weil sie als Frau manipulierbarer, schwächer oder weniger intelligent gewesen wäre. Satan habe vielmehr die Hierarchie des Seins auf den Kopf zu stellen versucht, wie Wolter erklärte: Er wusste um Evas Wert und Aufgabe. Eva stehe an erster Stelle in der Ordnung der Hierarchie der Liebe; Eva zu korrumpieren würde auch den Mann ins Verderben stürzen. In der Erlösung durch Christus als den zweiten, neuen Adam werde die natürliche Ordnung wiederhergestellt, um die Wahrheit von Mann und Frau zu verstehen. Christus habe uns daran erinnert, dass wir für die Vollkommenheit der Liebe geschaffen sind. Ob in einer Ehe oder als gottgeweihte Person oder als Single: Alle seien dazu berufen, eine bräutliche, reine Liebesbeziehung mit Gott zu führen.

Der menschliche Leib sei gebaut nach einer inneren Logik und ausgerichtet auf eine höhere Wahrheit, so Wolter. Thomas von Aquin schrieb, der menschliche Leib sei besonders geschaffen, um eine menschliche Seele empfangen zu können. „Nur durch den Leib können wir einen Zugang gewinnen zur individuellen Seele des anderen“, referierte Wolter. Nur durch die Sinne sei eine Begegnung mit dem Schönen, dem Guten und der Liebe möglich. Alle Instinkte seien eingebettet in eine rationale Natur. Um philosophisch an die Wahrheit zu kommen, benötige der Mensch die Komponenten der Rationalität und der Erfahrung, für deren Bildung der Körper wesentlich ist. „Der Mensch ist eine Einheit in der Dualität, eine Realität, in der Geist und Materie zusammenwirken“, so die Referentin. Es gelte also, der Natur des Leibes zu gehorchen.

Im weiblichen Leib offenbare sich die moralische Ordnung, da Entscheidungen Konsequenzen haben, die eine Verantwortung mit sich bringen. „Die Natur ist nicht tyrannisch oder willkürlich, sondern höchst sinnvoll“, so Wolter. Heute werde Freiheit oft mit Selbstbestimmung verbunden, doch bedeute Freiheit, in Beziehung zu etwas und jemandem zu leben und sich zum Geschenk zu machen.

Lieben wie eine Mutter

„Der Leib der Frau ist dazu geschaffen, Leben zu empfangen, wachsen lassen, zu nähren, zu unterstützen und zu gebären“, so Wolter in ihrem Vortrag. Die Fähigkeit der Frau zur Mutterschaft mache sie zum lebensspendenden Element der Liebe und ermögliche dem Mann, Vater zu werden. Mutter und Vater hätten auch in der Erziehung der Kinder unterschiedliche Rollen, die sich gegenseitig stärken und ergänzen. Wo die Frau ihre natürlichen Wesensaspekte der aktiven Empfänglichkeit, der Intimität und der Zärtlichkeit erkenne, sei das heilsam für ihr Umfeld. Die Aufgabe der Frau im mütterlichen Sinne sei, die organische Entwicklung und die individuelle Bestimmung jedes Lebewesens zu verstehen und zu fördern. „Dieses Bewusstsein für die Bedürfnisse des Lebens kommt nicht nur ihrer Nachkommenschaft, sondern auch anderen Lebewesen zugute“, erklärte die Philosophin.

Dank Maria sei diese lebensspendende Dimension geistiger und leiblicher Natur. Die Mutter Christi, als zweite Eva, sei die Pforte, durch die Gott Zugang zu den Menschen fand. Maria sei Vorbild aller Frauen, denn sie lebe den Genius der Frau und zeige, wozu die Frau fähig ist. Mit echter Demut nahm sie die Gaben Gottes an und antwortete in aller Einfachheit im Magnifikat. Sie zeige, dass das weibliche Herz die Fähigkeit habe, mit jedem Messerstich in der Liebe zu wachsen: Leid müsse nicht das Ende sein, sondern könne das Sprungbrett zur größeren Liebe werden. Wenn die Frau diesem Ruf folge, ein Zeichen Gottes zu sein, werde die Frau den Kopf der Schlange zertreten, erklärte Wolter. Dennoch hätten Mann und Frau nur zusammen die ganze Wahrheit, betonte die Philosophin. Mann und Frau hätten essenzielle Unterschiede, die jedoch zusammen eine größere Wirkmacht haben und einander bereichern.

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