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„Ich will im Bauch meiner Mutter gewesen sein“

Eine Diskussion von „Terre des Femmes“ kritisiert die Leihmutterschaft auch aus der Kinderperspektive.
Kritik an Leihmutterschaft
Foto: IMAGO/xMediaphotosx (www.imago-images.de) | Selbst wenn die Leihmutter kein Geld erhalte, würden doch andere (Ärzte und Agenturen) daran verdienen, meinte Sine Tonk von der Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“.

Zu einer „interaktiven“ Podiumsdiskussion über die sogenannte Leihmutterschaft hat die deutsche Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ Ende Mai in Berlin ins Hotel Rossi eingeladen. Schon der Titel „Das Geschäft mit der Leihmutterschaft: Möglichkeiten und Grenzen des Kinderwunsches“ versprach eine kritische Perspektive auf die Schattenseiten der durch Promis wie Paris Hilton und Zeitgeistmedien glorifizierten Leihmutterschaft.

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Dass die Ausbeutung von Frauen in ärmeren Ländern als „Leihmütter“ oder „Mietmütter“ bei einer Veranstaltung von „Terre des Femmes“ scharf kritisiert werden würde, war zu erwarten. Denn dass Frauen aus wirtschaftlicher Not unkalkulierbare Risiken für ihre Gesundheit eingehen, um anderen, wohlhabenderen Frauen (und Männern) ihren Kinderwunsch zu erfüllen, ist von vorneherein inakzeptabel für eine Organisation, die für die Menschenrechte von Frauen überall auf der Welt unabhängig von der jeweiligen Kultur, der Religion oder dem Entwicklungsstand des Landes eintritt. Über die Kritik an der Ausbeutung von Frauen in ärmeren Ländern hinaus verdeutlichte die Diskussion, warum jede Form der Leihmutterschaft als Unrecht anzusehen ist, unter dem Frauen und auch Kinder zu leiden haben.

Kritik auch an "altruistischer" Leihmutterschaft

Schon im Eingangsreferat stellte Sine Tonk für „Terre des Femmes“ klar, dass die Kritik an der Leihmutterschaft auch (angeblich) „altruistischen“ Formen der Leihmutterschaft gelte. Denn selbst wenn die Leihmutter kein Geld erhalte, würden doch andere (Ärzte und Agenturen) daran verdienen. Aus feministischer Sicht wurde kritisiert, dass so wieder einmal das traditionelle Bild der „selbstlosen“ Frau tradiert werde. Diese kritische Sichtweise war Konsens unter den Teilnehmerinnen (tatsächlich waren fast nur Frauen anwesend). Ihre Assoziationen, Stimmungen und später auch Fragen wurden per QR-Code und Mentimeter abgefragt und in die Diskussion einbezogen. So war die Veranstaltung tatsächlich interaktiv und zudem professionell moderiert. 

Auf dem Podium war mit der Ethikerin Sigrid Graumann ein Mitglied der „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ vertreten. Nach ihrer Darstellung hat diese Kommission keine Empfehlung zur Zulassung der Leihmutterschaft gegeben. Vielmehr habe die Kommission juristische Restriktionen definiert, die eingehalten werden müssten, falls man die Leihmutterschaft in Deutschland zulasse. Graumann klärte die Zuhörerinnen über die Rechtslage in Deutschland auf, die Leihmutterschaft hierzulande zwar verbietet, aber dem Import der Kinder von Leihmüttern aus dem Ausland doch zulässt. Den Zuhörerinnen empfahl sie, sich auf den einschlägigen Kinderwunschmessen ein Bild von diesem Geschäftsmodell zu machen. Sehr deutlich kritisierte sie Justizminister Marco Buschmann (FDP), weil er den Kommissionsbericht als Votum für die Zulassung „altruistischer“ Leihmutterschaften interpretiert hatte und sich zugleich für die Beibehaltung von Paragraf 218 StGB aussprach, also gegen die „Regelung“ des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches. 

Die Medien werden scharf kritisiert

Diese Kritik an der FDP war fast der einzige parteipolitische Aspekt in der Diskussion. Scharf kritisiert wurden die Medien dafür, dass sie mit „rührseligen Geschichten“ regelrecht Werbung für Leihmutterschaft machen würden. Selbst wenn Reportagen auch mal die Probleme der Leihmütter thematisierten, stünden doch am Ende doch wieder Bilder von glücklichen Eltern.

Besonders scharf formulierte dies auf dem Podium Juliane von Krause. Die Geschäftsführerin von „STOP den Frauenhandel“ schilderte eindrücklich die Grausamkeit des Milliardengeschäfts mit der Leihmutterschaft. In der Ukraine habe nicht einmal der Krieg dieses Geschäft stoppen können, weil die Frauen durch Verträge und wirtschaftliche Abhängigkeit geknebelt wären. Die Frauen hätten keine Chancen, ihre Rechte gegen mafiöse Geschäftsleute durchzusetzen, weil die Ukraine kein Rechtsstaat sei. Sie schilderte das erschütternde Schicksal einer mittelosen Alleinerziehenden, die bereits zwei Kinder hatte und das Kind behalten wollte, weil sie Angst hatte, dass es für Kinderpornographie missbraucht werden könnte. Sie sei von Schlägertrupps bedroht worden, bevor es ihr gelang, nach Deutschland zu flüchten.

Von krassen Fällen der Ausbeutung von Roma-Frauen aus Rumänien berichteten die Expertinnen Graumann und Krause aus Griechenland, das offiziell nur „altruistische“ Formen der Leihmutterschaft legalisiert hat.

Sunny Müller, stellvertretende Vorsitzende des Vereins „Spenderkinder“ war die dritte und jüngste Diskutantin auf dem Podium. Ihre Einsichten waren besonders persönlich, eindringlich und überraschend. Sie vertrat Perspektive von Menschen, die aus künstlichen Befruchtungen mit fremden Samenspendern entstanden sind. Dazu gehört ein Mitglied, das drei Mütter hat (Eizellspenderin, Leihmutter, rechtliche Mutter). Die Zulassung von Eizellspenden und Leihmutterschaften hielt sie für absurd, denn bisher seien ja nicht einmal Samenspenden geregelt. 

Worunter viele Spenderkinder leiden

Müller berichtete davon, wie schwierig es für Spenderkinder ist, ihr Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung wahrzunehmen. Ihnen würde vorgehalten, dass sie „Wunschkinder“ seien und dankbar sein sollten. „Aber zu 50 Prozent waren wir nicht gewünscht und das ist kein schönes Gefühl“, entgegnet darauf Müller. Viele Spenderkinder litten unter der Unehrlichkeit und dem Gefühl, dass ihr Urvertrauen missbraucht worden sei. Ihr selbst habe es geholfen zu wissen, dass sie genauso wie andere Kinder von ihrer Mutter geboren wurde („Ich will im Bauch meiner Mutter gewesen sein“).

So rückte das Trauma der Trennung von Mutter und Kind in den Fokus. Immer gehe es um die Wunscheltern, während sich für die Kinder „kein Schwein“ interessiere, beklagte Müller. Der Tierschutz sei besser aufgestellt als der Schutz der Kinder, beschrieb sie aus ihrer Erfahrung als „Spenderkind“ heraus die Situation in Deutschland – eine bemerkenswerte Einsicht einer feministischen Podiumsdiskussion.

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Stefan Fuchs FDP Leihmütter

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