Im Rahmen der neuen „Tagespost“-Reihe „Aufbruch – die christliche Zukunft Europas“ äußert sich der an der University of Notre Dame lehrende Philosoph Vittorio Hösle über die Krise des christlichen Europas und identifiziert dabei zugleich jene christlichen Fundamente, die das Abendland auch weiterhin tragen.
Einerseits gebe es in Europa einen „unglaublich schnellen Säkularisierungsprozess“, der sich unter anderem daran zeige, „dass immer weniger Menschen zur Kirche gehen.“ Andererseits wirke selbst in der säkularisierten Welt das geistig-kulturelle Erbe des Christentums fort. Insbesondere „der Begriff der Menschenrechte“ sei „eine Form des Weiterwirkens der Kategorie des Sakralen im Bereich des Juridischen“.
Hinter den Menschenrechten aber stehe der „Naturrechtsgedanke“, der zwar von christlichen Denkern wie Thomas von Aquin ausgearbeitet wurde, der aber gerade „nicht an das Christentum gebunden sei“, sondern sich an alle Menschen richte. Zugleich jedoch betont Hösle, dass „der Begriff der Menschenwürde unweigerlich etwas Absolutes und damit etwas der sozialen Realität gegenüber Transzendentes voraussetzt“.
Düstere Zukunftsprognose
Politisch und gesellschaftlich sieht der Philosoph jedoch dunkle Zeiten heranbrechen. Das „goldene Vierteljahrhundert“ von 1989 bis 2014 sei vorbei. Seit der russischen Invasion der Krim, dem Brexit und der Wahl Donald Trumps ist, so der Philosophieprofessor, „das westliche Projekt nicht nur von außen bedroht, sondern die Demokratie scheint intern Verfallserscheinungen unterworfen zu sein.“
Für eine Rechristianisierung Europas könne eine solche Krise auch eine Chance sein, denn historisch habe sich die scheinbar paradoxe Regel bewahrheitet: „Die Menschen werden religiöser, wenn es ihnen schlechter geht.“ Entscheidend für die Zukunft des Christentums aber werde sein, seinen „rationalen Kern“ immer wieder „an die Herausforderungen der Zeit“ anzupassen. DT/sost
Das gesamte Interview mit dem Philosophen Vittorio Hösle lesen Sie in der kommenden Ausgabe der "Tagespost."