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„Diskriminierung“: Schadensersatz statt Diakonat

Eine Frau kommt nicht in die Diakonenausbildung und zieht vor Gericht: Jetzt verurteilte ein belgisches Zivilgericht zwei Erzbischöfe wegen der kirchenrechtlichen Entscheidung.
Erzbischof Luc Terlinden, sein Vorgänger Jozef De Kesel, und Klägerin Veer Dusauchoit
Foto: IMAGO/Bilga, Adobe Stock | Erzbischof Luc Terlinden von Mecheln-Brüssel (li.) und sein Vorgänger Jozef De Kesel sollen der Klägerin Veer Dusauchoit 1.500 Euro zahlen. Diese hat ein Problem mit dem Amtsverständnis des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Das Weiheamt gerät in Belgiens Justiz zum Präzedenzfall: Das Zivilgericht im flämischen Mecheln hat zwei Bischöfe wegen Diskriminierung verurteilt. Beide hatten die Kandidatur einer Frau aus Flandern für eine Diakonatsausbildung abgelehnt. Jozef De Kesel, ehemaliger Erzbischof der Diözese Mecheln-Brüssel sowie sein Nachfolger und noch recht frischer Amtsinhaber Erzbischof Luc Terlinden, hatten der Antragstellerin im Jahr 2023 zweimal die Möglichkeit verweigert, eine Ausbildung zur Diakonin zu absolvieren. Nun müssen beide der Beschwerdeführerin insgesamt 1.500 Euro Schadensersatz zahlen. „Der Anwalt der Erzdiözese und die beiden Erzbischöfe De Kesel und Terlinden prüfen das Urteil und werden entscheiden, ob gegen das Urteil Berufung eingelegt wird“, erklärte der frankophone Sprecher der belgischen Bischofskonferenz, Jesuitenpater Tommy Scholtes, gegenüber dieser Zeitung. „Wir haben oft versucht, durch Gespräche Veränderungen in den bestehenden Kirchenstrukturen voranzutreiben“, begründet die Klägerin Veer Dusauchoit, warum sie den Rechtsweg beschritten hat. „Das hat aber nie funktioniert. Manchmal gab es Gespräche, aber es änderte sich nichts.“

Diese juristische Entscheidung stellt eine Zäsur dar in der weiteren Entwicklung der katholischen Kirche Belgiens und womöglich weit darüber hinaus. Erstmals wird ein auf dem kanonischen Recht beruhender Grundsatz von der Ziviljustiz angegriffen und verurteilt.

Eine Ablehnung mit tausend Jahren Tradition

Die Frage des weiblichen Diakonats bewegt die katholische Kirche seit langem. 2023 ließ Veer Dusauchoit als besonders engagiertes Gemeindemitglied der Kirche Notre-Dame in Herent, einer Nachbargemeinde der Universitätsstadt Löwen, ihrem zuständigen Bischof eine schriftliche Bitte zukommen, an einer Diakonatsausbildung teilnehmen zu dürfen. In diesem Punkt ist die katholische Kirche eindeutig: Das kanonische Recht legt in Artikel 1024 fest, dass „nur ein getaufter Mann die heilige Weihe rechtsgültig empfängt“. Darüber hinaus unterstrich Papst Franziskus im Mai diesen Jahres, dass „Frauen als Frauen und nicht als Pfarrer von großem Nutzen sind“.

Den Empfehlungen der Kirche folgend, erklärte der damalige Erzbischof De Kesel von Mecheln-Brüssel folgerichtig, er sei gegen die Kandidatur des betreffenden Gemeindemitglieds. Im Oktober 2023 wandte sich Veer Dusauchoit auch an den neuen Erzbischof Terlinden, stieß jedoch erwartungsgemäß auf die gleiche ablehnende Reaktion. „Die diakonische Ausbildung ist vor allem eine pastorale Ausbildung, die direkt auf die Weihe vorbereitet und von einem Team rund um dieses pastorale Projekt in der Pfarrei durchgeführt wird“, erläutert Scholtes die Haltung der Erzdiözese. „Der akademische Teil ist relativ. Und heute können wir uns das eine ohne das andere nicht vorstellen.“

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Angesichts dieser Sackgasse beschritt sie am 10. April den Rechtsweg und forderte von beiden Erzbischöfen eine Entschädigung. „Frauen werden immer noch durch eine ausschließlich männliche Hierarchie von Funktionen innerhalb der katholischen Kirche ausgeschlossen“, erklärte die Klägerin, die sich in ihrer flämischen Gemeinde auch in der grünen Partei engagiert. „Diese Angelegenheit hat nichts mit meinem politischen Engagement zu tun“, betont sie. Für viele Gläubige stelle die bestehende Situation eine ungerechtfertigte und schmerzhafte Verleugnung ihrer Berufung dar, erklärte sie gegenüber belgischen Medien. Indem sie sich an die Justiz wandte, hoffe sie, Zugang zu diesem Kurs zu erhalten und dadurch die bestehenden Grenzen des Weiheamts verschieben zu können. „Viele Menschen, Männer und Frauen, haben mir Briefe geschickt, in denen sie sich für diesen Rechtsfall bedanken, denn sie wollen ebenfalls, dass Frauen und Männer, die sich in der Kirche engagieren, für ihr großes Engagement gewürdigt werden“, erklärt Veer Dusauchoit gegenüber dieser Zeitung.

Keine nationale Entscheidung

Erst kürzlich hatten die belgischen Bischöfe selbst gefordert, dass der Diakonat zukünftig auch Frauen offenstehen solle. Doch diese Frage kann nun einmal nicht auf nationaler Ebene entschieden werden. Von ihrer eigenen örtlichen Kirchengemeinde werde sie einhundertprozentig unterstützt, sagt Veer Dusauchoit: „Wir wollen eine Zukunft für unsere Kirche schaffen und sind uns bewusst, dass dies nur mit einer stärkeren Anerkennung der Laien möglich ist.“ Doch was bedeutet dies konkret? „Wir möchten unseren Pfarreimitgliedern, die dies wünschen, eine christliche Beerdigung ermöglichen, wir möchten weiterhin unsere Kinder in unserer Gemeinde taufen, wir möchten kranken Menschen einen Krankensegen geben können et cetera. Das ist jetzt praktisch unmöglich, weil es keine Priester mehr gibt, die Zeit dafür haben.“ Dass Laien mit bischöflicher Beauftragung inzwischen beerdigen und Kranken die Kommunion bringen dürfen, erwähnt sie nicht.

Die Richter waren nicht nur der Ansicht, dass sich beide Erzbischöfe der Diskriminierung schuldig gemacht hätten, da die Gleichstellung von Frauen und Männern eines der Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit sei. Das Gericht kam überdies zu der Ansicht, dass beiden bei der Beurteilung der Kandidatur auch ein sachlicher Fehler unterlaufen sei. Denn zunächst gehe es lediglich um die Zulassung zur Ausbildung, nicht um die Frage der tatsächlichen Diakonenweihe. Mit der Entscheidung vom 25. Juni ist die Sache jedoch noch nicht erledigt, denn bislang hat Erzbischof Terlinden noch keine Entscheidung getroffen, ob er Berufung einzulegen gedenkt oder nicht. Auch wenn sich das Gericht in erster Instanz mit der Beschwerde von Veer Dusauchoit befasste, kann es nicht das kanonische Recht ändern. Darüber hinaus stellten die Richter klar, dass die Justiz „keine Zuständigkeit“ habe, die Weigerungen des Erzbischofs und seines Vorgängers aufzuheben oder gar festzulegen, wer zur Diakonatsausbildung zugelassen werden kann und wer nicht, da dies „der Religionsfreiheit widersprechen würde“. Nach den Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils ist der sakramentale Diakonat Teil eines dreifachen Weiheamtes.

Kann Veer Dusauchoit die Maßgaben des Zweiten Vaticanums akzeptieren? „Jedes Konzil spiegelt den Zeitgeist wider und versucht, eine Verbindung zu dem herzustellen, was zu dieser Zeit in der Kirche, aber auch in der Gesellschaft, zu der die Kirche gehört, vor sich geht“, entgegnet sie im Gespräch mit dieser Zeitung. „Die Gesellschaft verändert und entwickelt sich ständig weiter, was gut und sinnvoll ist. Jetzt leben wir im Jahr 2024. Eine Zeit, in der es rechtlich und auch für viele Menschen inakzeptabel ist, dass Frauen und Männer nicht als gleichberechtigt gelten. Wenn unsere Kirche gesellschaftlich relevant bleiben will, was notwendig ist und ich auch hoffe, muss sie bedeutungsvoll bleiben und Antworten geben auf die heutigen Herausforderungen. Dabei ist die Gleichstellung von Frauen und Männern wichtig.“

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