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 Priestermangel in Ostdeutschland: Pfarreien ohne Pfarrer

Der Priestermangel wird größer – und das heißt: Neue Leitungsformen müssen her, wenn die Gemeinden nicht immer größer werden sollen. Zwei ostdeutsche Bistümer haben auf dem 103. Katholikentag in Erfurt ihre Lösungsmodelle präsentiert.
Leitungsteams“ im Bistum Magdeburg
Foto: Oliver Gierens | Ordinariatsrat Markus Konkolewski, Uwe Hornickel und Pfarrer Jörg Bahrke stellen das Modell der „Leitungsteams“ im Bistum Magdeburg vor.

Der katholischen Kirche gehen die Priester aus. Die älteren gehen allmählich in Rente, Nachwuchs rückt kaum noch nach. In den fünf Bistümern in Nordrhein-Westfalen gibt es in diesem Jahr nur sieben Priesterweihen, in ganz Ostdeutschland sind es gerade einmal zwei. Wer soll da künftig die Pfarreien leiten? Auf dem Erfurter Katholikentag haben zwei ostdeutsche Diözesen ihre Modelle vorgestellt. Dabei wurde deutlich: Der Osten wird zum Experimentierlabor – und die Zukunft der Kirche ist ehrenamtlich. Das Interesse gerade aus den westdeutschen Bistümern war groß.

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Markus Konkolewski ist im Bistum Magdeburg zuständig für Kommunikation, Steuerung und Organisationsentwicklung – und damit auch für die Zukunft der Pfarreileitungen. Es ist ein Bistum der Gegensätze: Flächenmäßig das viertgrößte in Deutschland, aber von der Mitgliederzahl her – aktuell sind es gut 72.000 – das zweitkleinste. 70 Priester gab es hier noch im Jahr 2013, aktuell sind noch 43 im aktiven Dienst, Anfang der 2030er Jahre werden es wohl knapp über 20 sein – für aktuell 44 Pfarreien, weniger sollen es nach dem Willen von Bischof Gerhard Feige nicht werden. Im letzten Jahr wurden die Dekanate aufgelöst und stattdessen elf Pastoralregionen errichtet, in denen sich die zugehörigen Pfarreien das hauptamtliche Personal wie Kirchenmusiker oder Gemeindereferentinnen teilen.

Andere Leitung

In dieser Situation ist klar: Andere Leitungsmodelle müssen her. In aktuell 15 Pfarreien geht das Bistum bereits seit einigen Jahren neue Wege: Sie werden von sogenannten Leitungsteams geführt, die ausschließlich aus Ehrenamtlern bestehen. Möglich macht dies Can. 517 § 2 des Codex Iuris Canonici, des kanonischen Rechts der katholischen Kirche. Demnach kann der Bischof die Seelsorgeaufgaben auch anderen Personen als Priestern übertragen. Weitere acht Pfarreien bereiten sich laut Konkolewski auf die Einführung eines Leitungsteams vor.

Pfarrgemeinderat und Kirchenvorstand (KV) bleiben dabei bestehen, der KV-Vorsitzende schlüpft gar in die Rolle eines „Geschäftsführers“. Das Leitungsteam wird aus den Reihen der Gemeinde vorgeschlagen, jedes einzelne Mitglied vom Bischof berufen und beauftragt. Einen Priester gibt es natürlich weiterhin. Er heißt hier „Geistlicher Moderator“ und ist für die ureigenen sakramentalen Aufgaben wie Eucharistiefeiern, Beichte oder Taufen.

Umgesetzt ist das Projekt unter anderem bereits in der Pfarrei St. Jutta in Sangerhausen im Süden von Sachsen-Anhalt. Pfarrer Jörg Bahrke feiert die Heiligen Messen und kümmert sich um seelsorgliche Aufgaben, aber er ist kein kanonischer Pfarrer, sondern Teil des fünfköpfigen Leitungsteams. Auch in der Nachbarpfarrei in Querfurt ist er von Bischof Feige als Geistlicher Moderator eingesetzt worden – eine Lösung, mit der er nach eigener Aussage gut leben kann. „Es ist Verlust und Gewinn zugleich“, sagte Bahrke auf dem Katholikentagspodium.

Mehr Ehrenamt

„Früher habe ich nach der Sonntagsmesse oft gedacht, jetzt musst Du noch mit dem sprechen und hier noch eine Unterschrift holen, jetzt habe ich Freiraum für die Seelsorge.“ Sein Auftrag vom Bischof sei es, das Gespräch mit allen zu suchen, „den Laden zusammenzuhalten“ und darauf zu achten, dass alles katholisch bleibe. „Ich bin nicht mehr alleine verantwortlich, und das ist toll.“ Es gehe darum, den Weg zu einer ehrenamtlichen Kirche zu gehen – deswegen gebe es auch keine Hauptamtlichen wie etwa Gemeindereferenten in den Leitungsteams.

Uwe Hornickel gehört zum fünfköpfigen Leitungsteam in Sangerhausen. Der Familienvater ist zugleich Vorsitzender des Kirchenvorstands. Die Arbeit im Team sei harmonisch, die Sitzungen „entspannt“. Rund zehn Stunden investiere er pro Woche in die Arbeit. Auf Ehrenamtliche wie ihn wird die katholische Kirche künftig noch viel mehr angewiesen sein – und das geschehe völlig im Einklang mit dem Kirchenrecht, betont Ordinariatsrat Konkolewski. Man betreibe keine Abspaltung, sondern handle im Einklang mit der Weltkirche: „Wir müssen immer wieder die Frage einbringen, warum wir gemeinsam Kirche sein wollen.“

Hauptamtlich in Erfurt

Im Nachbarbistum Erfurt geht man mittlerweile einen ähnlichen Weg. Unter dem Titel „Pfarrei ohne Pfarrer“ stellten sich am Donnerstag die Pfarrei St. Josef in Erfurt und St. Elisabeth in Arnstadt vor, die bereits von Laien geleitet werden. Der Unterschied zu Magdeburg: Die Pfarreileiter sind hier hauptamtlich angestellt – doch auch sie kommen nicht ohne Ehrenamtliche nicht aus. „Wir wollen die Gremien mitnehmen, sie sollen selbst entscheiden“, sagt Claudia Wanierke, die zusammen mit Markus Schnauß als Pfarrbeauftragte in Arnstadt angestellt ist. Die beiden haben sich die Arbeit aufgeteilt: Während sie für die pastoralen Aufgaben zuständig ist, kümmert sich Schnauß um die Verwaltung. Jean François Uwimana ist als „moderierender Priester“ der Pfarrei zugeordnet, übernimmt aber keine Leitungsaufgaben. Damit bleibt ihm Zeit, seine theologische Doktorarbeit fertig zu stellen.

Leitung ohne Pfarrer

„Wir haben unserem Bischof einen Brief geschrieben und ihm mitgeteilt, dass wir uns die Leitung der Pfarrei vorstellen könnten, wenn sich kein Pfarrer bewirbt“, erinnert sich Wanierke. „Irgendwann kam dann die Nachricht, dass das gehen könnte.“ Von der Idee überzeugt ist auch Hendrik Stutzig, stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes. „Die Initiative soll den Ehrenamtlichen übertragen werden“, betont er dabei. Die Pfarrbeauftragten sollen sie in der Wahrnehmung ihrer Verantwortung unterstützen. „Nicht wir entscheiden, sondern wird sind Hörende“, bestätigt auch Claudia Wanierke. „Ich bin Diener der Gemeinde und soll das umsetzen, was die Gremien mir sagen. Das hat was mit Leitungskompetenz zu tun, ob man die Gemeinde machen lässt.“

Info: 103. Katholikentag

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