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Im Jordan getauft

Susan Weigelt ist Truppenärztin bei der Bundeswehr. Sie wuchs ohne Glaube und Kirche auf, doch im Laufe ihres Lebens stellte sie sich mehr und mehr die Sinnfrage. Und die führte sie über manche Umwege zur katholischen Kirche.
Oberfeldarzt Weiget
Foto: O. Gierens | Susan Weigelt hat positive Erfahrungen mit der Militärseelsorge gemacht.

Über ihrer Flecktarnuniform trägt Oberfeldarzt Susan Weigelt ein Kreuz. „Ich glaube an Gott und an Jesus– es muss sie ja geben“, ist die Bundeswehrärztin überzeugt. Vor einem Jahr hat sie sich taufen lassen, wurde nach einem langen Weg des Suchens und Findens katholische Christin. Auf diesem Weg liegt auch der südfranzösische Wallfahrtsort Lourdes. Bei der internationalen Soldatenwallfahrt in den Marienwallfahrtsort, wo nach kirchlicher Überlieferung im Jahr 1858 die Gottesmutter der 14-jährigen Müllerstochter Bernadette Soubirous erschienen ist, bot sich für Susan Weigelt die Gelegenheit zur Mitfahrt.

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An einem Samstagmorgen, an dem sich das Wetter nicht für eine Richtung entscheiden kann, erzählt die Bundeswehr-Ärztin in einer Brasserie gegenüber vom Heiligen Bezirk im Gespräch mit der „Tagespost“ von ihrem langen Weg zum Glauben, der vor einem Jahr durch ihre Taufe im Jordan direkt an der Taufstelle Jesu besiegelt wurde. Geboren 1981 in Neuhaus am Rennweg in Thüringen, wuchs sie inmitten des Thüringer Waldes auf. „Mein Bruder wurde 1968 geboren, der wurde noch getauft“, erzählt die Soldatin. Sie selber wuchs bereits ohne Glaube und Kirche auf. Im SED-Staat war dies schlicht nicht mehr vorgesehen.

Geprägt vom Leidensweg des Vaters

Geprägt wurde sie in ihren Kindheitsjahren stark vom Leidensweg ihres Vaters. Er war schwer dement, ging schon kurz nach ihrer Geburt frühzeitig in Rente. Ihre Mutter musste das Geld verdienen, arbeitete als Buchhalterin in einem Industriebetrieb. Schließlich wurde der Vater zum Vollpflegefall, die Mutter blieb zuhause und stellte in Heimarbeit sogenannte „Matruschkas“ her, russische Steckfiguren, die ineinander verschachtelt sind. Sie nähte die passenden Kleidchen für die Holzfiguren, gut 1 000 Stück pro Woche seien es gewesen.

1987 durfte ihre Mutter zum Geburtstag der Uroma erstmals in den Westen ausreisen, der schwer demente Vater kam für einige Wochen in eine psychiatrische Klinik. Aus dieser Einrichtung sei er dann endgültig als Pflegefall zurückgekehrt, erzählt Susan Weigelt. Habe er vorher noch über eine gewisse Selbstständigkeit verfügt, sei es nun mit ihm rapide abwärts gegangen. Unter Tränen erinnert sie sich daran, wie er kurz vor seinem Tod zum letzten Mal ihre Hand gehalten habe. „Diese Kraft, sich noch ein kurzfristiges Ziel zu setzen“, ist sie überzeugt, „kann einem nur geschenkt werden.“

Mauerfall - und es ändert sich fast alles

Zwei Jahre später fiel die Mauer, und auch für das Leben der Familie Weigelt änderte sich über Nacht fast alles. Susan Weigelt konnte ihr Abitur ablegen – und noch bevor die Schulzeit zu Ende war, sah sie einen Werbespot der Bundeswehr, in dem die Truppe um Nachwuchs warb. Die junge Frau fühlte sich angesprochen, bewarb sich für die Offizierslaufbahn. Eine Lehre als Bankkauffrau, die sie begonnen hatte, um ihr Studium zu finanzieren, brach sie 2000 wieder ab.

Stattdessen zog sie erstmals den Flecktarnanzug an – genau zu dem Zeitpunkt, als der damalige Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping Frauen generell zum Dienst an der Waffe zugelassen hatte. Doch die Sanitätsausbildung, für die sich Susan Weigelt entschieden hatte, stand Frauen ohnehin bereits offen.

Wechsel zur Allgemeinmedizin

Im Oktober 2000 ging es für die junge Soldatin schließlich zum Medizinstudium nach Leipzig, 2007 machte sie ihren Abschluss – und musste erkennen, dass die Truppe nach Befehl und Gehorsam funktioniert. Eigentlich wollte Susan Weigelt Allgemeinmedizinerin werden, doch Stellen gab es dafür zunächst nicht. „Ich musste zur Inneren Medizin gehen“, erinnert sie sich im Gespräch.

Ausgerechnet die Terroranschläge in New York und Washington vom 11. September 2001 ermöglichten ihr doch noch den Wechsel zur Allgemeinmedizin – damals schuf die Bundeswehr zahlreiche neue Stellen im Sanitätsdienst. Auch Weigelt ging für einige Zeit ins Ausland: 2009/10 nach Faisabad in Afghanistan, 2011/12 nach Kundus. 2012 folgte ein dritter Auslandseinsatz in Mali.

Frage nach Gott und dem Sinn des Lebens

Während dieser Jahre stand für die junge Bundeswehrärztin immer eine Frage im Raum: Nach Gott, nach dem Glauben, nach dem, was uns trägt und Kraft zum Leben gibt. „Schon die Trauerfeier für meinen Vater war befremdlich“, erinnert sich Susan Weigelt. Einige Gäste hätten gar während der Feier gelacht. Auch in den Jahren nach dem Tod des Vaters habe es ihr oft an Liebe und Zuneigung durch die Mutter gefehlt, erinnert sie sich.

Während des Medizinstudiums habe sie dann einen Kommilitonen kennengelernt, den Sohn eines evangelischen Pfarrers aus Norddeutschland. Er lud sie zum Gottesdienst ein – und sie ging aus Interesse mit. „Ich fand das sehr vernünftig, was der Pfarrer dort gepredigt hat“, erzählt sie rückblickend. Stattdessen geriet der Pfarrerssohn in Glaubenszweifel, als sein Vater plötzlich starb. „Noch bevor der Bischof der Familie kondoliert hat, erhielten sie die Kündigung für das Pfarrhaus“, erinnert sie sich.

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Auch nach dem Studium blieb die Sehnsucht nach geistlicher Nahrung bestehen. Bei ihrem ersten Auslandseinsatz in Afghanistan 2009 sei sie in die Feldgottesdienste gegangen, „um mal rauszukommen“. Schließlich habe das Lagerleben die persönliche Freiheit sehr eingeschränkt, die Soldaten konnten das Lager in der Regel nicht verlassen. „Früher hatte vielleicht einer von 20 Soldaten psychosomatische Auffälligkeiten. Heute sind es fünf.“

Da sei die Militärseelsorge für sie ein wichtiger Ankerpunkt gewesen. „Beim Pfarrer hat niemand gestört. Das hat mich geprägt.“ Gemeinschaft, Fürsorge – Dinge, die auch in der Truppe wichtig sind, kommen für Susan Weigelt aus dem Glauben. „Die Militärseelsorge ist etwas Besonderes“, sagt die Truppenärztin. „Da hat noch kein Pfarrer gefragt, wo man herkommt oder welchen Glauben man hat. Die haben erstmal nur den Soldaten gesehen.“

Weigelt wird katholisch getauft

Einige Jahre sollte es noch dauern, bis sich auch Susan Weigelt persönlich für den Glauben entschied. 2020 begann sie ihr Katechumenat, das 2022 mit ihrer Taufe im Jordan endete. Dass sie sich für die katholische Kirche entschied, habe vor allem an den Pfarrern an ihrem heutigen Standort in Volkach bei Würzburg gelegen. Dort sei die katholische Kirche einfach zahlenmäßig stärker vertreten. „Außerdem sind mir Rituale wichtig. Und ich finde es gut, dass es ein paar Grundsätze gibt, an denen die Kirche festhält.“

Trotzdem findet die Bundeswehr-Ärztin den Synodalen Weg „komplett richtig“. Die Kirche müsse zwar an Riten festhalten, findet Susan Weigelt. „Aber am Ende sind die Bischöfe und der Papst nur Menschen und sollten für das, was gepredigt wird, auch einstehen.“ So finde sie es falsch, dass die Priester nach den Regeln der Kirche keine Familie haben dürfen. Der Pfarrer, der sie in Israel getauft hat, sei als katholischer Priester trotzdem Familienvater – und dürfe deswegen ausschließlich noch in der Militärseelsorge dienen. „Und der ist ein absolut überzeugter und überzeugender Christ“, sagt Weigelt.

Persönliche Gottesbeziehung ist intensiver geworden

Erfüllung findet die Sanitätssoldatin auch im Wallfahrtsort Lourdes. „Der Ort gibt mir religiös etwas“, erzählt sie von ihren ersten Eindrücken. „Ich bin hier nicht Oberfeldarzt, hier kann ich Gespräche mit anderen führen.“ Auch die Beziehung zur Gemeinde habe sich seit der Taufe entscheidend geändert. „Ich fühle mich jetzt ein Stück weit angekommen“, sagt die Truppenärztin. „Vorher habe ich immer gedacht, ich gehöre nicht dazu.“

Auch die persönliche Gottesbeziehung sei seit der Taufe intensiver geworden. „Ein Vaterunser vor dem Zubettgehen gehört für mich dazu. Ich fühle mich aufgehoben. Gesehen hat mich Gott wohl schon sehr viel früher, weil vieles in meinem Leben irgendwie funktioniert hat.“ Und dann denkt sie wieder an die letzten Tage mit ihrem Vater zurück. „Ich wollte mir mal wirklich genau erklären lassen, was damals mit ihm passiert ist, warum er noch ein paar lichte Momente hatte. Aber dafür gibt es keine Erklärung. Es geschehen manchmal Wunder.“

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