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103. Katholikentag: Erfurt kann Stuttgart nicht heilen

Ein Bilanzblick auf den vergangenen Katholikentag zeigt, dass man zwar aus dem Schock von Stuttgart gelernt hat, aber die nötigen Schlüsse nicht gezogen hat.
103. Deutscher Katholikentag Erfurt 2024
Foto: Moritz Roeser | In den Waschkörben vor dem Altar befinden sich Hostienschalen.

Der Schock von Stuttgart im Jahr 2022 kam unerwartet und er saß tief. Gerade einmal 19.000 Dauerkarten hatte man für den Katholikentag in Stuttgart verkauft. Allein 7.000 der Dauerkarten gingen an Mitarbeiter, damit war die realistische Zahl gerade einmal 12.000 wirkliche Teilnehmer. Zu groß, zu teuer, mit zu hohen Verlusten, so hatte man den 102. Katholikentag am Ende bilanzieren müssen. Selbst die Veranstalter stellten damals für einen kurzen Moment die Sinnfrage. Das Ergebnis lautete Konsolidieren und kleiner werden.  Das wurde in Erfurt ausprobiert.

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Der Erfolg gab den Veranstaltern scheinbar Recht, denn in Erfurt nahmen an einem viel kleineren Katholikentag rund 20.000 Besucher teil. Noch gibt es keine Zahlen, wie viele davon Mitarbeiter waren, wie viele Dauerkarten verkauft wurden und wie viele Tagesbesucher es waren. Einige Quellen reden von einer Gesamtzahl von 40.000 Besuchern und rechnen damit alle Tagesbesucher mit rein. Damit wären auf dem kleineren Erfurter Katholikentag mehr Teilnehmer gewesen als auf dem wesentlich größeren Stuttgarter. Nicht ganz außer Acht lassen darf man dabei  den Schock der politischen und kirchlichen Coronamaßnahmen, unter dessen Eindruck der Stuttgarter Katholikentag eindeutig stand. 

Zahlen allein genügen nicht

Damit wäre zumindest im Blick auf die Zahlen die Welt wieder etwas mehr in Ordnung. Dennoch bleibt es dabei, dass der politische Katholizismus, wie er sich seit Jahrzehnten auf Katholikentagen zeigt, auch in Erfurt seine eindeutig linke Schlagseite beibehalten hat. Leider gilt das auch kirchenpolitisch und ebenso in lebensrechtlichen oder bioethischen Fragen. Wenn es einem Katholikentag in Deutschland gelingen kann, ein Podium zum Paragraphen 218 auf die Beine zu stellen, auf dem nicht die authentische Lehre der Kirche zur Abtreibung zumindest neutral dargestellt wird, ist das ein Skandal.

Dass sich niemand mehr über den Skandal aufregt, zeigt nur, dass man dem Katholikentag nicht einmal mehr zutraut, in einem kritischen öffentlichen Diskurs die Lehre der Kirche authentisch zu vertreten. Zeitgleich feiert man – zugegeben recht leise – 25 Jahre „Donum vitae“. Es bleibt dabei, dass der Name ein Euphemismus ist, angesichts der Tatsache, dass das Handeln dieser Gruppierung, wie es der heilige Papst Johannes Paul II. ausdrückte, die Botschaft der Kirche zum Schutz des Lebens verdunkelt. 

Auffällig war beim Blick ins Programmheft die Dominanz woker Themen. Da ließ sich finden, das „der Leib Christi … queer“ sei, andernorts las man: „G*tt ist trans“. Unter „Ave Vulva“ fand sich ein Programmpunkt zu bildender Kunst mit zweifelhaftem Inhalt. Was das auf einem Katholikentag zu suchen hat, darf gefragt werden. Es gab einen „Reflexionsraum zu genderqueeren Perspektiven“ oder das Angebot einer „Trainer*in für Diversity und Social Justice". Kritik an der Genderideologie war natürlich nicht im Programm. Kritik ist insgesamt nicht so erwünscht. Das galt in Genderfragen ebenso wie für den Ausschluss der derzeit mutmaßlich stärksten politischen Kraft in Thüringen, der AfD. Die Praxis des Katholikentages steht in einer nicht zu leugnenden Spannung zur Ansage der Präsidentin des ZdK, Irme Stetter-Karp, man wolle auf die „Kraft des besseren Arguments setzen“.  Es bleibt festzustellen, selten war ein Katholikentag inhaltlich so wenig katholisch wie der Erfurter.

Hostien in Wäschekörben

Beim Blick auf die Gottesdienste, in denen sich seit Jahren eine liturgische Ästhetik etabliert hat, die gerne als lausig bezeichnet werden darf, hat sich auch nichts geändert. Hostienschalen in Wäschekörben, da dreht sich frommen Katholik der Magen um. Dialogpredigten sind so überflüssig wie ein Kropf. Das viele unsinnige Reden zwischen den Teilen der Liturgie ist verzichtbar. An Fronleichnam vormittags ein Wortgottesdienst statt einer Eucharistiefeier war ein starkes Stück, das auch für hinreichend Verärgerung gesorgt hat.

Der Bischof von Passau, Stefan Oster, machte deutlich, dass er sich einen mehr geistlichen Katholikentag wünsche. Das ist im allerbesten Sinne ein frommer Wunsch, der aber ein frommer Wunsch bleiben wird. Fromm geht es auf dem Katholikentag nur in der Nische zu. Geistliche Gemeinschaften und Bewegungen nehmen die Gelegenheit wahr, sich vorzustellen.

Katholische Präsenz

Die Orden sind präsent und Lebensrechtsverbände wie die ALfA sind konsequent vor Ort. Das ist gut. Es ist umso besser, je kleiner die Katholikentage werden, denn dann werden diese Gruppen nur umso sichtbarer. Das gilt jedoch nur für diejenigen, die vor Ort sind. Für alle anderen bleibt es dabei, dass die Dominanz kirchlich, politisch und gesellschaftlich linker Ausrichtung nicht zu übersehen ist und die Berichterstattung in den Medien dominiert. Fromm wäre sicher schön, man wäre sogar schon dankbar für etwas katholische Anthropologie, Naturrecht und katholische Soziallehre. Da bleibt es leider dabei, dass Katholikentage in Fragen der Lehre und Disziplin katholische Totalausfälle sind und bleiben. Erfurt kann Stuttgart nicht heilen. Dazu wäre mehr nötig. Das Zeugnis von Erfurt ähnelt dem Zeugnis vieler vorhergehender Katholikentage: Die Kirche schwimmt auf dem Mainstream und verliert dabei immer mehr an Relevanz. 

Info: 103. Katholikentag

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