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Enttäuschende TV-Debatte: Demokraten zweifeln immer mehr an Biden

Joe Biden hat im Duell mit seinem Herausforderer Donald Trump einen verheerenden Eindruck hinterlassen. Selbst im linken Spektrum meint man, er könne sich davon nicht mehr erholen.
Fernsehdebatte zwischen Donald Trump und Joe Biden
Foto: IMAGO/John Wong (www.imago-images.de) | Einer der Tiefpunkte des Duells: Trump warf Biden vor, einen Golfball „keine 50 Meter“ weit schlagen zu können – was Biden dazu veranlasste, mit seinem „Handicap“ als Vizepräsident zu prahlen.

Unvollendete Sätze, dünne Stimme, versteinerter Gesichtsausdruck: Der amtierende US-Präsident Joe Biden hat in der Fernsehdebatte mit seinem republikanischen Herausforderer Donald Trump einen enttäuschenden Eindruck hinterlassen – und in der eigenen Partei die Diskussion von Neuem entfacht, ob es nicht doch erfolgsversprechender wäre, einen anderen Kandidaten ins Rennen um das Weiße Haus zu schicken.

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Auf allen Kanälen, auch im linksliberalen Spektrum, war man sich einig, dass Biden das TV-Duell verloren habe und sich von seinem Auftritt wohl kaum mehr erholen dürfte. Anders als Biden, der fahrig wirkte, sich immer wieder versprach und dem es nicht gelang, seine Botschaft in für die Zuschauer verständliche Sätze zu packen, wirkte sein Gegner Trump im Auftreten scharfsinnig, souverän und zuweilen fast staatsmännisch. Zwar ging auch Trump in seinen Antworten oft kaum oder überhaupt nicht auf die Fragen der Moderatoren ein, erzählte Unwahrheiten und spitzte seine Behauptungen übertrieben zu. Die Art und Weise, wie er sich auf der Bühne im Studio des Senders CNN in Atlanta präsentierte und wie Biden neben ihm wirkte, machten diese Defizite jedoch wieder wett.

Biden bestärkt diejenigen, die denken, er sei zu alt

Fast eine Woche hatte sich Biden mit seinem Wahlkampfteam Berichten zufolge auf die Debatte vorbereitet. Das primäre Ziel des Demokraten war es, Bedenken über sein fortgeschrittenes Alter und die Frage, ob er mit 81 Jahren noch für das herausfordernde Amt des US-Präsidenten geeignet sei, aus dem Weg zu räumen. Nahezu alle Beobachter waren sich einig, dass ihm dies am Donnerstagabend nicht gelungen ist. Biden habe die Befürchtungen sogar noch verstärkt, so der Tenor. 

Auch wenn die Debatte eine Reihe aktueller Themenkomplexe behandelte, wie die Wirtschaft, die Abtreibungsgesetzgebung, die Kriege in der Ukraine und in Nahost sowie den Klimawandel, lieferten weder Trump noch Biden auf der inhaltlichen Ebene wesentliche neue Erkenntnisse. Dies ließ den Kontrast im Auftritt und in der Bühnenpräsenz zwischen den Kandidaten jedoch umso deutlicher werden. 

Als Biden gegen Ende des Duells von den Moderatoren die Möglichkeit erhielt, selbst Stellung zu nehmen, ob er nicht zu alt für das Präsidentenamt sei, ließ er die Chance mehr oder weniger ungenutzt verstreichen. Mit Blick auf Trump entgegnete er nur: „Dieser Typ ist drei Jahre jünger, aber viel weniger kompetent.“ Man solle auf seine Leistungen als Präsident schauen. Danach wechselte er abrupt das Thema und sprach über die Mikrochips-Industrie.

Wer ist der bessere Golfer?

Die Debatte war auch geprägt von zahlreichen persönlichen Angriffen. So bezeichnete Biden Trump immer wieder als „Lügner“, der „Dummheiten“ erzähle. Trump dagegen nannte Biden „den schlechtesten Präsidenten in der Geschichte der USA“.  Biden, der sichtlich bemüht war, auch einige Stiche zu setzen, zitierte daraufhin eine Umfrage unter 150 Historikern, die zu dem Ergebnis gekommen seien, Trump sei der schlechteste Präsident überhaupt.

Einen Tiefpunkt erreichte die Debatte, als sich Trump und Biden, der frühere und der amtierende US-Präsident, darüber stritten, wer von ihnen der bessere Golfer sei. Trump warf Biden vor, einen Golfball „keine 50 Meter“ weit schlagen zu können – was Biden dazu veranlasste, mit seinem „Handicap“ als Vizepräsident zu prahlen. Es war eines der wenigen Wortgefechte an diesem Abend, da das Mikrofon ansonsten nur dann aktiviert wurde, wenn ein Kandidat auch offiziell seine Redezeit hatte. Und aus diesem verbalen Schlagabtausch ging Biden am Ende sogar noch als Verlierer hervor, denn Trump beendete ihn mit den Worten: „Jetzt benehmen wir uns mal nicht wie Kinder.“ Bidens Reaktion, „Sie sind ein Kind“, ging in der nächsten Moderatorenfrage unter.

Biden müsste selbst zurücktreten

Anders als normalerweise üblich wurde die Debatte nicht von der parteiunabhängigen Kommission für Präsidentschaftsdebatten organisiert, sondern fand unter Bedingungen statt, auf die sich die beiden Kontrahenten im Vorfeld geeinigt hatten. So wurde das Aufeinandertreffen ohne Publikum abgehalten. Die Kandidaten durften keine Eingangsstatements abgeben, sondern sich nur zu den Fragen der Moderatoren Jake Tapper und Dana Bash äußern. Die Antwortzeit betrug zwei Minuten, mit einer Minute Zeit zur Gegenrede für den Kontrahenten.

Mehrere US-Medien zitierten im Anschluss an die Debatte namentlich nicht genannte Parteistrategen der Demokraten, die ernsthaft darüber diskutierten, ob man Biden nun doch ersetzen und einen jüngeren Kandidaten ins Rennen schicken müsse. Zahlreiche einflussreiche Spender für die Demokraten sollen dies gefordert haben. Dennoch gilt es weiterhin als wahrscheinlichste Option, dass Biden der Kandidat seiner Partei bleibt – es sei denn, er entscheidet sich selbst zum Rückzug. Personen aus dem Umfeld des Präsidenten sind sich jedoch einig, dass Biden diesen Schritt nicht vollziehen, sondern an seiner These festhalten wird, dass er der einzige sei, der Donald Trump im November schlagen könne.

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