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Differenzlos daneben

Die "Bild" macht Stimmung gegen Berliner Dozenten, die sich mit pro-palästinensischen Studentenprotesten solidarisieren. Alle Beteiligten haben einen blinden Fleck.
Pro-palästinensische Demonstranten an der Freien Universität Berlin im Jahr 2024
Foto: IMAGO/imageBROKER/Ben Kriemann (www.imago-images.de) | Pro-palästinensische Demonstranten an der Freien Universität Berlin – am Ende griff die Polizei ein und löste ihr Protestcamp auf.

"Die Universitäter" – mit dieser Überschrift und einer dazugehörigen Namensliste hat die "Bild" jüngst Berliner Universitätsdozenten ins Visier genommen, die sich in einem offenen Brief mit den Protestaktionen rund um den Gaza-Krieg an ihren Hochschulen solidarisiert hatten. Die Lehrkräfte verteidigten das Recht ihrer Studenten "auf friedlichen Protest" und betonten ausdrücklich, dass dieses Recht "auch die Besetzung von Uni-Gelände" miteinschließe.

Frappierend ist die Unfähigkeit aller Beteiligten, verschiedene Ebenen auseinanderzuhalten. Erstens ist zu unterscheiden zwischen dem Recht, im Rahmen friedlicher Kundgebungen seine Meinung zu äußern, und der inhaltlichen Zustimmung dazu. Zweitens ist zu differenzieren zwischen dem Recht auf friedlichen Protest und unerlaubter Nötigung oder Belästigung. Drittens ist nicht alles, was erlaubt ist, ethisch betrachtet auch richtig.

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Auf den aktuellen Fall angewandt: Deutsche Studenten haben das Recht, in einen Palästinenserschal gehüllt Revoluzzer zu spielen und bis in die absurdesten Details ihre amerikanischen Vorbilder nachzuäffen. Sogar die "Queers for Palestine" dürfen Seite an Seite mit Islamisten "Intifada" skandieren – zumindest solange der Protest friedlich abläuft und keine Kommilitonen belästigt werden. Genau das ist bei der Besetzung von Uni-Gebäuden aber nicht mehr gegeben. Die Universität hat daher nicht nur das Recht, sondern mit Blick auf alle anderen Studenten sogar die Pflicht, den Hochschulbetrieb zu gewährleisten – auch mithilfe der Polizei. Das wiederum haben die Dozenten mit ihrer einseitigen Solidaritätsbekundung offenbar nicht begriffen.

Schließlich ist da noch die "Bild". Sicher, die Unterzeichner des offenen Briefes haben sich selbst ins öffentliche Gespräch gebracht und müssen nun auch Gegenwind ertragen. Mit ihrer niveaulosen Feindmarkierung, die keinerlei inhaltliche Auseinandersetzung zu bieten hat, hat Deutschlands führendes Boulevardblatt allerdings nur die Verrohung des Diskurses vorangetrieben. Auf allen Seiten verdrängt die Inszenierung der je eigenen Empörung die eigentlich wichtigen Themen: das Schicksal der israelischen Geiseln und das Leiden der palästinensischen Zivilbevölkerung.

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Sebastian Ostritsch

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