„We are red, we are white, we are danish dynamit.“ Immer noch hallt der Schlachtruf der dänischen Fans in den Ohren derer, die dank der Gnade der frühen Geburt das Jahr 1992 erinnern. Damals besiegten die Dänen um die Ausnahespieler Peter Schmeichel (Torwart), Kapitän Lars Olsen (Libero) und Flemming Povlsen (Mittelstürmer) im Finale der Fußball-EM, die Mannen von Berti Vogts um Bodo Illgner, Kapitän Thomas Häßler und Jürgen Klinsmann im schwedischen Göteborg mit 2:0.
Dennoch weckte das gestrige erneute Aufeinandertreffen der Deutschen und der Dänen im Dortmunder Westfalen-Stadium trotzt des 2:0 der Nagelmänner eher Erinnerungen an die an die „Regenschlacht“ im Düsseldorfer Rheinstadium 1974 gegen Schweden. Fast auf den Tag vor 50 Jahren gewann der spätere Weltmeister am 30. Juni 1974 nach 0:1 Rückstand dort gegen Schweden. Am Ende musste der schwedische Weltklasse-Torhüter Ronnie Helmström doppelt so oft hinter sich greifen, wie gestern Peter Schmeichels Sohn Casper.
Beeindruckende Werte
Dass die Dortmunder „Gewitterschlacht“ gestern nicht auch 4:2 ausging, lag nicht nur an dem VAR (Video Assistent Referee) und dem noch kleinlicher pfeifenden britischen Spielleiter Michael Oliver, sondern auch an der „Wand“ Manuel Neuer und seinem dänischen Gegenüber Casper Schmeichel. Sehenswert aus deutscher Sicht waren vor allem die ersten 20 Minuten. Da zeigten die Nagelsmänner wozu sie inzwischen fähig sind.
Obwohl die hochstehenden Dänen, die Toni Kross mit zwei, manchmal auch drei Mann zustellten und so die Schaltzentrale der Deutschen kaum zur Entfaltung kommen ließen, drängte die deutsche Elf die Dänen mit temporeichem Dominanz-Fußball tief in die eigene Hälfte und erarbeiten sich Chance um Chance. Nach 15 Minuten verzeichnete die Statistik auf deutscher Seite: 6:0 Torschüsse, 4:0 Ecken und 70 Prozent Ballbesitz.
Was den Sturmlauf der AfD brechen könnte
Dass Fußballer tatsächlich an sich arbeiten und sich keineswegs nur die Haare föhnen, zeigten auch die „Standards“ (Ecken und Freistößen), von denen im deutschen Spiel nun auch erstmals ernste Gefahr ausging. Ob all das ausreicht, um am kommenden Freitag auch das Viertelfinale, voraussichtlich gegen Spanien, erfolgreich zu bestreiten, muss abgewartet werden. Was jedoch am meisten überraschte, war die neue deutsche Ehrlichkeit nach dem Abpfiff. Weder Bundestrainer Julian Nagelsmann noch Vizekapitän Joshua Kimmich versuchten vor der Kamera, die Fehler und Mängel im deutschen Spiel unter den klatschnassen Rasen des Westfalen-Stadiums zu kehren. Nico Schlotterbeck hielt sich gar, anstelle seines Traumpasses zum 2:0 in der 68. Minute, sein Dribbling im eigenen Strafraum gut zehn Minuten zuvor vor Augen, das Neuer völlig unnötig zu einer Glanztat zwang.
Ob Olaf Scholz, der der Gewitterschlacht von Dortmund ganz ohne Gummistiefel seine Referenz erwies, all das noch mitbekam, wissen wir nicht. Aber für den Fall, dass der Bundeskanzler sich den Kopf darüber zerbricht, was den Sturmlauf der AfD brechen könnte, dann wäre die „neue deutsche Ehrlichkeit“ sicher ein heißer Kandidat. Einer, über den „Scholz & Kollegen“, während Halbzeitpause im Spiel gegen die Spanier ja einmal nachdenken könnten. Viertelstunde, schafft Ihr schon.
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