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Die Pfarrei muss vom Gast zum Gastgeber werden

Es geht um die Erneuerung der Pfarreien: Der deutsche Leiter der Divine-Renovation-Bewegung, Ferdinand Degenfeld, zieht eine Bilanz des „Catholic Parish Summit“ in Harrogate.
Frischer Wind in der Gemeinde: Das ist das Ziel des „Catholic Parish Summit“ im britischen Harrogate.
| Frischer Wind in der Gemeinde: Das ist das Ziel des „Catholic Parish Summit“ im britischen Harrogate.

Ferdinand Degenfeld leitet seit drei Jahren die von dem kanadischen Geistlichen  Fr. James Mallon ins Leben gerufene Bewegung zur Gemeindeerneuerung „Divine Renovation“ im deutschen Sprachraum und brennt für eine missionale Erneuerung von Pfarreien. Er hat Maschinenbau, Philosophie und Theologie studiert.

Ferdinand Degenfeld
Foto: Privat | Ferdinand Degenfeld

Im Bilanzgespräch spricht er über das Treffen der Bewegung im englischen Harrogate.

Herr Degenfeld, was hat den Ausschlag für den Catholic Parish Summit in Harrogate in England, gegeben? 

Der „Catholic Parish Summit“ (CPS), hatte die Vision, Jünger auszusenden, Leiter zuzurüsten und die Verwandlung der Nationen anzustoßen. Er wurde von Divine Renovation ausgerichtet und war ursprünglich als regionale Konferenz für Großbritannien geplant. Großbritannien deshalb, da dort inzwischen über 20 Prozent der katholischen Gemeinden mit den Prinzipien von Divine Renovation arbeiten. Aufgrund der renommierten Sprecher wie Sr Miriam James Heidland (Abiding Together Podcast), Fr Mathias Thelen (Gründer Encounter Ministries), Nicky Gumbel (Pionier von Alpha) und Fr James Mallon (Gründer von Divine Renovation Ministry) war das internationale Interesse hoch.

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Fast 900 Teilnehmer aus 19 Nationen meldeten sich an, darunter sogar Neuseeländer und einige Bischöfe aus baltischen Staaten. Im Eröffnungsvortrag wurde folgendes Bild für die Pionierarbeit dieser Gemeinden gegeben: Unsere Pfarreien sind wie Inselbewohner, deren Insel langsam im Meer versinkt. Draußen auf dem Meer ertrinken Menschen. Obwohl Boote bereitliegen, wagen sich nicht alle durch die hohen Wellen, um den Ertrinkenden zu helfen.

Doch manche fassen Mut, sammeln eine Crew und stechen in See. Unterwegs merken sie, dass die Boote sich perfekt eignen, Menschen aus dem Wasser zu fischen. So wächst die Crew, weitere Boote werden bemannt und ausgesandt. Auch wenn es keine Karte für das unbekannte Gewässer gibt, weisen andere vorausfahrende Boote den Weg. Dieses Bild prägte die gesamte Konferenz.

Welche Gemeinde eignet sich für eine Gemeindeerneuerung? Welche Voraussetzungen bzw. wieviele Helfer braucht es?       

Grundsätzlich jede - denn jede Gemeinde hat die Mission, auch neue Menschen in eine persönliche Christusbeziehung einzuladen. Divine Renovation ist kein Konzept oder Maßnahmenpaket, sondern Prinzipien, die auf den jeweiligen Kontext angewandt werden. Jede Gemeinde und jedes Team ist anders - und die Herausforderungen außerordentlich komplex. Da reicht ein einfaches Kopieren von Konzepten nicht.

Die Prinzipien sind die „3 Schlüssel zu Erneuerung der Pfarrei“: Der Primat der Evangelisierung, das Beste an Leiterschaft und die Kraft des Heiligen Geistes.

Die meisten Früchte beobachten wir, wo der Pfarrer Hunger nach Erneuerung hat, demütig ist und dazulernen möchte und sich mit einem Team von drei bis fünf Laien umgibt, mit denen er kollaborativ und gezielt die Gemeinde leitet.

Helfer braucht es dabei sicher auch. Die Frage ist aber weniger, wie viele Helfer braucht der Pfarrer. Die Frage ist mehr, welche Rolle einer Person hilft, um zu wachsen. Wenn Leiterschaft mehr als Dienst an der Berufung des anderen statt als Machtspiel verstanden wird, ändert das alles.

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Wie sieht das Miteinander von Priestern und Laien im Rahmen einer gelungenen Gemeindeerneuerung aus? 

Die vielen Zeugnisse von Leitungsteams beim CPS konnten das schön illustrieren. Da sahen wir Teams, die sich für ihre spezifische Berufung schätzen, die gemeinsam einen geistlichen Weg gegangen waren und die oft tiefe Freundschaft verbindet. Damit das entstehen kann, braucht es Einheit in der Vision, komplementäre Begabungen und eine gesunde Konfliktkultur - das alles ist Teil unserer Coachings.

Welchen Zeitraum muss man einplanen, damit sich in einer Gemeinde etwas ändern kann? 

Erste Früchte lassen sich oft schon nach wenigen Wochen bemerken. Radikale Willkommenskultur beispielsweise lässt sich mit geringem Aufwand beginnen: Ein informelles Willkommensteam & gemütliches Ausklingen nach der Messe kann man mit 2 Personen und 15 Minuten Zeitaufwand beginnen. Bis jedoch ein signifikanter Anteil der Gemeindemitglieder vom Gast zum Gastgeber werden und von sich aus auf "neue" Menschen zugehen, vergehen ein paar Jahre.

Besonders im deutschsprachigen Raum erschweren die Rahmenbedingungen diesen Wandel. Das macht es bei uns nicht unmöglich, aber sicher langwieriger.

Wie überzeugen Sie Bischöfe von der Sinnhaftigkeit der Gemeindeerneuerung? 

In den meisten Fällen beginnt unsere Zusammenarbeit nur indirekt mit Bischöfen, denn es sind die Pfarreien, die auf uns zukommen. Daher sind es oft die Begeisterung der Priester und die Früchte in ihren Pfarreien, die ihre Bischöfe überzeugen.

Ich denke, dass die  Präsenz von elf Bischöfen beim CPS, der ersten Veranstaltung dieser Art, das zeigt. Ein niederländischer Bischof richtete nach einer ähnlichen Konferenz vor zwei Jahren sein Ordinariat gegen erheblichen Widerstand neu aus, um der Priorität Raum zu geben: Pfarreien zu helfen, missional zu werden. Es bewegt sich also einiges.

„Stephen Fosters sprach von der prächristlich geprägten Gesellschaft,
welche die post-christliche Gesellschaft in vielen Gegenden schon ablöst.”

Welche Impulse aus Harrogate haben Sie persönlich bewegt? 

Vor allem die Begeisterung der Teilnehmer, die uns spiegelten, welche Ermutigung diese Konferenz für sie darstellt. Eine deutsche Teilnehmerin sagte mir: „Man merkt, dass ihr nicht die Welt erobern, sondern den Willen des Herrn tun und die Herzen für Ihn erobern wollt.“

Darüber hinaus hat mich inhaltlich Stephen Fosters Vortrag zur Evangelisierung besonders bewegt. Er sprach von der prächristlich geprägten Gesellschaft, welche die post-christliche Gesellschaft in vielen Gegenden schon ablöst. Dort ist der spirituelle Hunger groß, sind die Vorurteile gering und Evangelisierung trägt große Früchte.

Das gibt mir große Hoffnung für meine Heimat, Deutschland. Wenn wir jetzt beginnen, uns missional auszurichten, dann sind wir bereit, wenn das nächste prächristliche Zeitalter bei uns beginnt. Und die Tatsache, dass sich schon über 100 Gemeinden im deutschsprachigen Raum auf diesen Weg gemacht haben, zeigt mir, dass ich nicht der einzige mit diesem abwegigen Gedanken bin.

Harrogate,
Foto: IMAGO/xkrisgimagesx (www.imago-images.de) | Drei Tage lang tagte der Catholic Parish Summit im Harrogate Convention Centre. in Harrogate. Der deutsche Leiter der Divine Renovation spricht im Interview über die Konferenz.

Die Gemeindeerneuerung nach dem Modell von Pfarrer Mallon läuft inzwischen schon einige Jahre. Haben Sie in Harrogate so etwas wie eine Lernkurve aus Erfahrung festgestellt? 

Wir sprechen statt von einem Modell lieber von den Prinzipien von Divine Renovation. In diesem Sinne gibt es natürlich eine Lernkurve, denn wir lernen ständig von den hunderten Gemeinden, die wir begleiten. Diese trauen sich, vieles auszuprobieren, wovon manches Früchte trägt. Das können wir dann weitergeben. 

Ein Beispiel dafür sind Gemeindetransplantationen: So bezeichnen wir es, wenn eine Pfarrei eine erfahrene Gruppe in eine sterbende Gemeinde entsendet, um diese zu neuem Leben zu bringen. Das erste Beispiel dieser Art ist St. Willibrord in Montreal, wo 27 Leiter vor zwei Jahren ihre Mission begannen. Diese Gemeinde ist seither um das dreifache gewachsen und bereitet sich derzeit darauf vor, wiederum selber eine Gruppe von Gemeindemitgliedern in die nächste Gemeinde auszusenden.

Auch die Form unserer Begleitung entwickelt sich weiter. Beim CPS wurde der Genesis Kompass präsentiert, ein neues Tool, das Gemeinden vor Ort Orientierung in den ersten Jahren der Neu-Schöpfung gibt. Dieses wird ab Herbst auch auf Deutsch kostenlos zur Verfügung stehen.

Welche Botschaft geht von dem Treffen in England aus? 

Der Auftrag Jesu, die frohe Botschaft zu verkünden und alle Völker zu seinen Jüngern zu machen, richtet sich an jeden Christen und jede Pfarrei. In Zeiten von rückläufigem Kirchenbesuch und Gemeinde-Zusammenlegungen möchte der Catholic Parish Summit für die Vision einer Gemeinde begeistern, die ihrem Wesen nach missional und apostolisch ist. Weltweit wächst die Zahl der Gemeinden unbeschreiblich, die eine tiefe Verwandlung durchgehen, und diese Früchte und Erfahrungen gilt es zu teilen.

So viele Pfarreien haben das Potential, neues Leben zu entwickeln und zu Leuchttürmen der Evangelisierung und Hoffnung zu werden. Das Ziel ist, Leitende mit der Vision und dem Werkzeug auszurüsten um ihre Gemeinden in einen Ort zu verwandeln, wo Menschen Jesus auf eine lebensverändernde Art begegnen können.

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