Wenn aus dem Untergeschoss des Österreichischen Parlaments aus 200 Kehlen „Großer Gott wir loben dich“ erschallt, dann ist es wieder soweit: Am Dienstag fand auf Initiative der Nationalratsabgeordneten Gudrun Kugler (ÖVP) und Elisabeth Feichtinger (SPÖ) das siebte Internationale Parlamentarische Gebetsfrühstück in Österreich statt.
Eingangs erinnerte Elisabeth Feichtinger daran, dass das erste amerikanische Gebetsfrühstück 1953 durch Präsident Dwight D. Eisenhower begründet wurde und seitdem alle US-Präsidenten daran teilnahmen. Die überkonfessionelle, überparteiliche und internationale Gebetsfrühstücksbewegung möchte Menschen aus Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Religion zusammenbringen und Brücken über alle kulturellen, religiösen, politischen oder ideologischen Unterschiede bauen. Gebetsfrühstücke finden weltweit in über 180 Ländern statt, davon 25 in Europa. „Eine englischsprachige Bibel reist jedes Jahr von Land zu Land und ist dieses Jahr bei uns in Wien“, informierte Gudrun Kugler die Teilnehmer.
Kein Widerspruch zwischen Religion und Naturwissenschaft
Bei der diesjährigen Veranstaltung trafen Vertreter der Katholischen und Orthodoxen Kirche, verschiedener protestantischer und freikirchlicher Denominationen, der Islamischen Föderation Österreichs und des Judentums auf österreichische Politiker, Diplomaten verschiedener Länder sowie Angehörige von Vereinen, Initiativen und Bewegungen. Neben dem emeritierten Bischof Klaus Küng nahmen auch der Wiener Weihbischof Franz Scharl und der Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke Missio Österreich, Pater Karl Wallner, an dem Gebetsfrühstück teil.
Als Festredner des Treffens war der Österreichische Universitätsprofessor und Nobelpreisträger für Physik (2022), Anton Zeilinger, geladen. „Für mich gibt es keinen Widerspruch zwischen Religion und Naturwissenschaft“, stieg Zeilinger in seinen ebenso kurzweiligen wie nachdenklichen Vortrag ein. Ein Widerspruch trete nur dann auf, wenn eine der beiden, Naturwissenschaft oder Religion, ihren jeweiligen Kompetenzbereich überschreite. „Die Existenz Gottes kann nicht naturwissenschaftlich bewiesen werden. Das wäre das Ende der Religion, denn es wäre das Ende des Glaubens.“ Umgekehrt könne die Existenz Gottes auch nie durch die Naturwissenschaft widerlegt werden, so der Quantenphysiker. Im Folgenden skizzierte Zeilinger Grenzen der Naturwissenschaft, aus denen sich Freiräume für den Glauben ergeben. So wies er beispielsweise auf die Tatsache hin, dass die Naturgesetze beobachtet, erklärt und bewiesen werden könnten, aber die Frage nach dem Warum der Naturgesetze nicht innerhalb der Naturwissenschaften selbst erfolgen könne.
In Bezug auf seinen Glauben erklärte der Katholik Zeilinger, ein Journalist habe ihn einmal gefragt, ob er Atheist oder Agnostiker sei. „Meine Antwort: Als Wissenschaftler bin ich Agnostiker. Als Mensch bin ich weder noch“, so Zeilinger unter dem Applaus des Publikums. „Mein Lieblingsvers aus der Bibel lautet: ,Dein Wille geschehe‘“, schloss Zeilinger seinen Vortrag, der sein Echo im von allen Teilnehmern gemeinsam gesungenen „Vater unser“ fand.
Christen sind die weltweit meist verfolgte Glaubensgemeinschaft
Ein musikalisches Highlight des Vormittags: Der deutsche Musiker und Komponist Siegfried Fietz war anwesend und begleitete auf dem Klavier seine berühmte Vertonung des Dietrich-Bonhoeffer-Textes „Von guten Mächten wunderbar geborgen“.
Der Erste Präsident des Österreichischen Nationalrates Wolfgang Sobotka (ÖVP) sprach in seinem Grußwort über die Rolle der Religionen bei der Gestaltung der Welt. Es sei deren Aufgabe, das Zusammenleben der Menschen friedlich in Respekt und Toleranz zu gestalten. Er erinnerte auch daran, dass Christen die weltweit meist verfolgte Glaubensgemeinschaft sind und sich aktuell ein „Tsunami an Antisemitismus“ entfacht habe. Aber wenn es den Einzelnen auch in der Politik gelänge, so Sobotka, des diesjährigen Gebetsfrühstücks „Alles, was ihr tut, geschehe in Liebe“ (1. Kor 16,14) im Kleinen zu leben, werde vieles möglich.
Auch der Dritte Präsident des Nationalrates Norbert Hofer (FPÖ) nahm auf das Motto Bezug und trug eine leicht abgewandelte Form des Friedensgebets des heiligen Franziskus vor: „Herr, mache uns Politiker zu Werkzeugen deines Friedens.“
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