Das war knapp: Ohne das österreichische Ja wäre die Renaturierungsverordnung der EU am Montag gescheitert. Nur dank der Zustimmung der kleinen Alpenrepublik kam überhaupt eine qualifizierte Mehrheit zustande. Das Problem ist allerdings: Die österreichische Umwelt- und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler von den Grünen gab die Zustimmung im Alleingang, ohne Rückendeckung durch die Bundesregierung, ja gegen den ausdrücklichen Wunsch des Koalitionspartners ÖVP.
Jetzt ist in Österreichs Bundesregierung Feuer am Dach: Bundeskanzler Karl Nehammer, zugleich Chef der größeren Regierungspartei ÖVP, tobte am Montag in Brüssel. Der grünen Umweltministerin wirft der Kanzler „Rechtsbruch“ vor, dem grünen Koalitionspartner, sein „wahres Gesicht“ gezeigt und „Ideologie über die Verfassung“ gestellt zu haben. Eigentlich ist Österreichs schwarz-grüne Koalition jetzt am Ende. Daraus machte die ÖVP einschließlich Kanzler Nehammer keinen Hehl.
Die Bürger müssen bis 29. September warten
Dennoch marschiert der Bundeskanzler jetzt nicht zum Bundespräsidenten, um ihm das Ende dieser Regierung mitzuteilen und die Auflösung des Parlaments sowie Neuwahlen vorzuschlagen. Und das hat einen einfachen Grund: Am 29. September sind ohnehin reguläre Parlamentswahlen, dann werden die Karten neu gemischt. Eine Neuauflage von Schwarz-Grün ist dann aus zwei Gründen undenkbar: weil das nach allen Umfragen für eine Mehrheit nicht mehr reichen würde, und weil einfach zu viel Porzellan zwischen Schwarzen und Grünen zerschlagen wurde.
Beide Regierungsparteien werden ihren Wahlkampf gegen den Umfragen-Sieger FPÖ anlegen – die Grünen, indem sie nach links rücken, die ÖVP, indem sie die FPÖ-Themen etwas seriöser durchdekliniert. Damit aber wächst auch inhaltlich die Distanz zwischen den Koalitionären. Die Grünen hoffen auf eine künftige Mehrheit mit den tiefroten Sozialdemokraten und den liberalen NEOS. Der ÖVP bleibt neben dieser Option nur die unappetitliche Alternative der FPÖ.
Innenpolitik, aber in Brüssel zelebriert
Mit der Renaturierungsverordnung der EU, an der sich der aktuelle schwarz-grüne Streit entzündete, hat das alles wenig zu tun. Wenig, aber nicht nichts: Natürlich setzt die ÖVP auf die Interessen der Bauern, die zu ihrer Kernwählerschaft gehören und sich von allzu bürokratischen Umweltauflagen geplagt fühlen, und ebenso natürlich müssen die Grünen mit Umweltschutz und Klimapolitik punkten.
So natürlich diese Interessensunterschiede auch sein mögen, ungewöhnlich ist, dass die beiden Regierungsparteien ihre Differenzen auf der EU-Bühne austragen. In der Europäischen Union bringt so etwas jedenfalls keine Punkte im Glaubwürdigkeits-Ranking. Eleganter wäre es gewesen, die Innenpolitik im Inland zu belassen.
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