Betulich, langweilig verbunden mit ein bisschen Lobbyismus für die Wohlfahrtsverbände und die Aufklärungsarbeit gegen Rechtsextremismus – so wäre das Gespräch von Olaf Scholz mit Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa und Matthias Quendt, Soziologie-Professor aus Jena, dahin geplätschert und spätestens nach einer Stunde, dann sollte der Talk nämlich beendet sein, wären alle inklusive des ja im Grunde wohlwollenden Publikums im Theater Erfurt selig eingeschlummert.
Denn Olaf Scholz machte mal wieder seinem Status als Sandmännchen unter dem deutschen Rhetorikern alle Ehre. Die sowieso schon an Nominalisierungen, sperrigen Bürokratie-Vokabeln und Pseudo-Intellektualität vorspielenden Kaugummi-Begriffen reiche Katholikentags-Sprache konnte der Kanzler ohne Mühe übertrumpfen. In der Fähigkeit, auf jede nur denkbare Frage in der möglichst unkonkretesten Weise zu antworten, hat es der Regierungschef zur Meisterschaft gebracht.
Zu langsam
Doch dann wurde es kritisch, wollte die Moderatorin doch tatsächlich wissen, ob der Kanzler mit der Kommunikationsleistung der Ampel zufrieden sei. Scholz reagierte mit einem launigen „Tja“, das ihm doch auch noch ein paar Lacher einbrachte. Bevor er aber nun mit seiner ausführlichen Antwort beginnen konnte, setzte die „Letzte Aktion“ mit ihren Sprechchören ein. Zuerst riefen sie rein, wobei man außer „Herr Scholz“ nicht viel verstehen konnte. Dann wurden schließlich Transparente ausgerollt. Und es erklang der Sprechgesang „Wo, wo, wo ist der Klimakanzler!“.
Der redete indessen unverdrossen weiter, wovon wiederum nicht viel zu verstehen war, weil es im Publikum immer lauter wurde. Zwischendurch war so etwas zu vernehmen wie „industrieller Umbau“. Und Scholz gab noch den praktischen Demokratie-Lehrer. Das, was im ersten Drittel des Gesprächs umständlich und mit großer Redundanz theoretisch erläutert worden war, nämlich die Frage, wie man in einer Demokratie miteinander umzugehen habe, konnte der Kanzler nun praktisch einfordern.
Nur im Gespräch bekomme man Antworten. Und dazu gehöre: „Zuhören“, wie der Kanzler unter großem Applaus den Aktivisten entgegenrief. Und dann sagte er etwas, was symptomatisch für die ganze Veranstaltung war, ohne dass es dem Regierungschef vermutlich klar war. Dies sei doch eine „choreographierte“ Veranstaltung. Sollte wohl heißen, es gibt ein festes Programm und wenn man höflich ist, hält man sich daran. Für die Diskussion galt das bestimmt. Es passte aber auch zu der Art des Protestes, der war nämlich auch durchchoreographiert. Oder wie der Kanzler zurecht bemerkte: Die Aktivisten sollten doch mit ihrem „Theatersprech“ aufhören, den sie in der „Agitationsgruppe“ gelernt hätten. Schließlich wurden die Störer aus dem Theatersaal herausgeworfen.
Christus und die Zuversicht
Und dann zeigte sich plötzlich etwas, was wahrscheinlich in der so durchgeplanten Dramaturgie nicht vorgesehen war, aber diesem Vormittag dann doch etwas Überraschendes gab. Hier meldete sich jemand zu Wort, mit dem kaum noch jemand rechnete: der Glaube. Eine kleine Gruppe stimmte an: „Herr, gib uns deinen Frieden“. Immer mehr Sänger folgten. Schließlich sang fast der ganze Saal den Kanon. Und damit war beantwortet, was im letzten Drittel der Debatte diskutiert wurde: Christen als Zulieferer von Zuversicht für den politischen Diskurs. Der Kanzler machte deutlich, dass aus seiner Sicht diese Zuversicht unverzichtbar sei. Die Sänger hatten vorher gezeigt, woher sie kommt.
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