Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Älteste lebende Oscarpreisträgerin

Eva Marie Saint: Hitchcocks Hundertjährige

Die Chancen stehen gut, dass die Oscarpreisträgerin und Hitchcock-Darstellerin Eva Marie Saint („Der unsichtbare Dritte“) am Donnerstag ihren 100. Geburtstag erleben wird.
Cary Grant & Eva Marie Saint Characters: Roger O. Thornhill & Eve Kendall Film: North By Northwest (USA 1959) Director:
Foto: Rights Managed via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Brillierten in Alfred Hitchcocks Klassiker "Der unsichtbare Dritte" (1959): Cary Grant und Eva Marie Saint.

Die „alte Garde“ Hollywoods verschwindet allmählich: Vergangene Woche starb Donald Sutherland 88-jährig, und es jährte sich zum 20.Mal der Todestag von Marlon Brando (1924-2004). Einer der letzten Stars aus der Ära des klassischen Hollywood-Studios ist die am 4. Juli 1924 in Newark, New Jersey geborene Eva Marie Saint. Seit dem Tod von Olivia de Havilland im Juli 2020 ist sie die älteste lebende Oscar-Gewinnerin.

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Oscar für die erste Filmrolle

Ihren einzigen Oscar gewann sie gleich bei ihrer ersten Filmrolle als Freundin von Marlon Brando in Elia Kazans „Die Faust im Nacken“ („On the Waterfront“, 1954). Ihr Oscar als „Beste Nebendarstellerin“ war einer von insgesamt acht Auszeichnungen, darunter „Bester Film“ und „Beste Regie“. Der sehr erfolgreiche Film legte den Grundstein für ihre Filmkarriere.

Die Tochter von John Merle Saint und seiner Ehefrau Eva Marie absolvierte 1946 die Bowling Green State University. Sie begann ihre Karriere als Radiodarstellerin in New York City und nahm ab 1948 Unterricht am Actors Studio. Ab 1949 trat sie regelmäßig in Fernsehshows auf und machte 1953 durch ihre Darstellung in einer Fernsehproduktion von Horton Footes Stück „The Trip to Bountiful“ auf sich aufmerksam. In der gleichen Rolle trat sie auch 1953 am Broadway auf.

Unsterblich mit „Der unsichtbare Dritte“

Saints bekanntester Auftritt verdankt sich ihrer Ähnlichkeit mit Grace Kelly: Nach deren Hochzeit mit Fürst Rainier von Monaco suchte Alfred Hitchcock Schauspielerinnen, die Kelly ähnelten. So bekam Eva Marie Saint für viele überraschend die Rolle der geheimnisvollen Femme fatale an der Seite von Cary Grant in „North by Northwest“ („Der unsichtbare Dritte“). Der Film wurde nicht nur ein großer Kassenerfolg und Filmklassiker, sondern beeinflusste den Spionagefilm über Jahrzehnte hinweg – nicht wenigen Cineasten gilt „Der unsichtbare Dritte“ als inszenatorische Blaupause für die James-Bond-Filme.

In dem Thriller, bei dem ein harmloser Werbefachmann mit einem Geheimagenten verwechselt wird und daher quer durch die Vereinigten Staaten fliehen muss, verkörpert Eva Marie Saint die attraktive und selbstsichere Eve Kendall, die den Verfolgten in ihrem Zugabteil vor der Polizei versteckt und eine Liebesaffäre mit ihm beginnt. Berühmt ist nicht nur die Verfolgungsszene mit einem tieffliegenden Flugzeug, sondern auch eine Verfolgungsszene auf dem Mount Rushmore sowie die Schlussszene wiederum in einem Schlagwagenabteil. Der Film, den der britische Regisseur nach einem Drehbuch von Ernest Lehman 1959 drehte, gehört – neben drei weiteren Hitchcock-Filmen – zu den „Top 100“ Filmen der Geschichte – nach „They Shoot Pictures“ rangiert er auf Platz 59.

Eine Frau, die weiß, was sie will

Selbstbewusst ist sicher die Eigenschaft, die neben ihrer kühlen Schönheit die meisten ihrer Rollen auszeichnet. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb zu ihrem 90. Geburtstag: „Eva Marie Saint wusste genau, was sie wollte. Sie ging den Männern in ihrer klassischen Schönheit unter die Haut, weil sie ankündigte, was geschehen würde. Das waren sie nicht gewöhnt.“ Sie entsprach dem „Hitchcock-Frauentyp“: jung, schön, kühl und undurchsichtig. Ihre Kühle verbarg jedoch ein starkes Selbstbewusstsein. So machte sie gegenüber Cary Grant in „Der unsichtbare Dritte“ zweideutige Bemerkungen und übernahm den aktiven Part.

Ein Jahr nach ihrer Rolle in dem Hitchcock-Film spielte sie in dem fast dreieinhalbstündigen Monumentalfilm „Exodus“ (1960) unter der Regie von keinem geringeren als Otto Preminger und an der Seite von Paul Newman basierend auf dem gleichnamigen Erfolgsroman von Leon Uris. Der Film handelt von zahlreichen Juden aus aller Welt, darunter viele Holocaust-Überlebende, die nach Ende des Zweiten Weltkrieges nach Palästina überzusetzen hoffen. Eva Maria Saint spielt eine Krankenschwester, die als Freiwillige in einem Internierungslager arbeitet. Dort lernt sie den von Paul Newman dargestellten radikalen Untergrundkämpfer Ari Ben Gannan kennen. Dieser will zusammen mit mehreren hundert anderen Flüchtlingen aus dem Camp entkommen und an Bord der „Exodus“ gelangen. Dem Film wird eine hohe Bedeutung bei der Wahrnehmung des Nahostkonflikts in den Vereinigten Staaten zu Gunsten Israels beigemessen.

Von Hitchcock bis zu Wenders

1964 verkörperte Eva Marie Saint die Ehefrau eines von Richard Burton gespielten Pfarrers in „… die alles begehren“, die allerdings von ihrem Mann betrogen wird. Zwei Jahre später spielte sie unter der Regie von John Frankenheimer eine Magazin-Redakteurin in dem Autorennfahrerfilm „Grand Prix“. 1970 trat sie zudem als Filmpartnerin von George Segal in der Tragikomödie „Loving“ von Irving Kershner auf.

Eva Marie Saint suchte ihre Rollen mit Bedacht aus. Nachdem sie in den 1970er-Jahren weniger qualitative Filmangebote erhielt, arbeitete Saint wieder vermehrt fürs Theater und Fernsehen. Ein Comeback erlebte sie im neuen Jahrtausend: Sie spielte in „Winn Dixie – Mein zotteliger Freund“ unter der Regie von Wayne Wang, Wim Wenders besetzte sie 2005 in seinem Film „Don’t Come Knocking“; im darauffolgenden Jahr trat sie in „Superman Returns“ als Martha Kent, die Adoptivmutter der Hauptfigur, auf. Ihren bislang letzten Filmauftritte hatte sie 2014 im Fantasyfilm im Stil des Magischen Realismus „Winter’s Tale“, der Verfilmung des gleichnamigen Fantasy-Bestsellers von Mark Helprin und dem Regiedebüt des Drehbuchautors Akiva Goldsman, an der Seite von Colin Farrell und Russell Crowe.

65 Jahre glücklich verheiratet

Bei einer Oscar-Verleihung trat sie zuletzt 93-jährig im Jahr 2018 auf, als sie den Preis für das Beste Kostümdesign überreichte. Eva Marie Saint war von 1951 bis zu dessen Tod 65 Jahre mit dem Regisseur und Produzenten Jeffrey Hayden (1926–2016) verheiratet. Sie hat zwei Kinder und drei Enkelkinder. Das Theater auf dem Campus der „Bowling Green State University“ ist nach ihr benannt.

Eva Marie Saint wird am Donnerstag, dem 4. Juli, 100 Jahre alt.

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