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Josef Braml: „Das Urteil könnte die politische Stabilität gefährden“

Ob die Wähler Donald Trump nach dem Schuldspruch fallenlassen, sei noch unklar, meint der US-Experte. Doch der Republikaner habe weiter Vorteile gegenüber Joe Biden.
Donald Trump im Gerichtssaal in Manhattan
Foto: IMAGO/Justin Lane (www.imago-images.de) | "Trump könnte nach seiner möglichen Wiederwahl seine Strafe anfechten oder Rache suchen", mein Braml.

Herr Braml, Donald Trump ist im New Yorker Schweigegeldprozess von einer Jury für schuldig befunden worden. War mit einem derart zügigen und einstimmigen Urteil in allen 34 Anklagepunkten zu rechnen?

Offensichtlich hatte Trumps Wahlkampf-Team damit gerechnet und gleich nach der Urteilsverkündung politisches Kapital daraus geschlagen. Wie schon zuvor bei seiner Anklage wird Trump auch das Urteil für seine Wahlkampagne nutzen. Sein Wahlkampfteam sandte unmittelbar nach dem Urteil eine Nachricht an Millionen republikanische Unterstützer mit den Worten: „Ich bin ein politischer Gefangener!“, unterlegt mit einem Bild von Trump, der seine Faust emporreckt. Zahlreiche Anhänger reagierten daraufhin mit finanzieller Unterstützung. Bereits wenige Stunden nach dem Urteil konnte Trumps Wahlkampfteam über 50 Millionen US-Dollar an Online-Kleinspenden verbuchen. Das Urteil habe „wie nie zuvor“ eine Unterstützung für Trump geweckt. Darüber hinaus haben einige großzügige, den Republikanern nahestehende Milliardäre ebenfalls ihre Brieftasche geöffnet.

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Das genaue Strafmaß steht noch aus – in Frage kommen eine Geldstrafe oder eine Gefängnisstrafe, die auch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Womit rechnen Sie?

Auf hoher See und vor Gericht ist man bekanntlich in Gottes Hand. Da Trump nicht vorbestraft ist, dürfte er mit einer Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird, oder bestenfalls einer Geldstrafe davonkommen.

Das Strafmaß wird am 11. Juli bekanntgegeben – wenige Tage vor dem Nominierungsparteitag der Republikaner. Wird dieser Zeitplan eine Auswirkung auf den Nominierungsprozess haben?

"Auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung
kann Trump weiter für das Präsidentenamt kandidieren.
Die US-Verfassung hat keine strafrechtlichen Kriterien dafür"

Auch nach einer rechtskräftigen Verurteilung kann Trump weiter für das Präsidentenamt kandidieren. Die US-Verfassung hat keine strafrechtlichen Kriterien dafür. Die Republikaner werden sich wie schon bei der Anklage wieder hinter Trump stellen. Mike Johnson, der republikanische Sprecher im US-Repräsentantenhaus, bezeichnete Trumps Verurteilung auf der Plattform X als „eine Schande für Amerika!“

Nachdem nun auch Nikki Haley – wenn auch zähneknirschend – ankündigte, Trump ihre Stimme zu geben: Gibt es überhaupt noch parteiinterne Opposition gegen Trump von Vertretern, die sich selbst noch Karrierechancen innerhalb der Partei ausrechnen?

Wer sich politisch gegen ihn positioniert hat, hat damit die eigene berufliche Zukunft aufs Spiel gesetzt. Trump hat die Republikanische Partei fest im Griff. Wir sollten nicht vergessen, dass unsere Parteien, die für ein parlamentarisches System typisch sind, sich von den USA unterscheiden. 

Inwiefern?

Das US-System lässt Parteien nur als lose Wahlanbieter agieren und entzieht ihnen durch die Urteile des Supreme Court sogar diese Rolle zugunsten von Großspendern und Lobbyisten. Denn die Richtermehrheit entschied, dass Spenden eine Form der Meinungsäußerung sei, die nicht eingeschränkt oder kontrolliert werden darf. Externe Spender haben viel mehr Mittel und Einfluss als die Parteien. Wie zu erwarten, schlugen sich Vermögende, die Regulierung oder Besteuerung ihrer Geschäfte verhindern wollen, auf die Seite des Frontrunners Trump, nachdem sie zuvor andere Kandidaten unterstützt hatten.

Dem Urteil wird auch deshalb so große Aufmerksamkeit geschenkt, da es den Ausgang der Präsidentschaftswahlen im November beeinflussen könnte. Insbesondere die noch unentschlossenen Wähler – Moderate, Unabhängige – stehen im Fokus. Wie wirkt sich das Urteil Ihrer Meinung nach auf diese Gruppe aus?

Trump hatte bereits vor dem Urteil im April zum ersten Mal mehr Geld eingenommen als Biden. Und er hat weiterhin in den entscheidenden Staaten, die den Sieger bestimmen werden, einen knappen Vorsprung vor Biden. Die Wähler vertrauen Trump mehr in wirtschaftlichen Fragen und bei der Bekämpfung der Inflation.

Ob potenzielle Wähler Trump wegen seiner Verurteilung fallen lassen, ist noch unklar. Das Urteil könnte ihnen Trumps Verfehlungen ins Gedächtnis rufen. Außerdem könnte es den Fokus der Wähler von Bidens Problemen, etwa sein Alter, die Inflation oder der Gaza-Krieg, weglenken. Aber vielleicht vergessen die Wähler das Thema bis November wieder.

Josef Braml
Foto: privat | Josef Braml ist USA-Experte und European Director der Trilateral Commission – einer einflussreichen globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider Amerikas, ...

Trump selbst, aber auch führende Republikaner, sprachen von einem parteipolitischen motivierten Verfahren der Demokraten. Zwar strengten keine demokratischen Amtsträger den Prozess an und Joe Biden hielt sich mit Stellungnahmen zurück, jedoch ist der Bundesstaat New York deutlich linksliberal geprägt, die Demokraten haben das Sagen in wichtigen Positionen. Wie bewerten Sie den Vorwurf, das Verfahren sei nicht völlig fair gewesen?

Meine Bewertung ist weniger interessant als die der US-Wählerinnen und Wähler, weil sie es sind, die den Ausschlag geben. Trump kann den Prozess und andere Anklagen, die er als politisch motiviert darstellt, als Mittel nutzen, um seine Anhänger zu mobilisieren.

"Trump kann den Prozess und andere Anklagen,
die er als politisch motiviert darstellt,
als Mittel nutzen, um seine Anhänger zu mobilisieren"

Es stehen noch drei weitere Verfahren gegen Trump aus. Wie bewerten Sie grundsätzlich die juristische Aufarbeitung der Trump-Präsidentschaft?

Die rechtliche Untersuchung Trumps ist eine Sache, ihre politischen Folgen eine andere, die weitreichender sind. Die Anklagen hatten bereits im Vorwahlkampf einen Schulterschluss mit Trump bewirkt. Das Urteil könnte die politische Stabilität gefährden. Trump könnte nach seiner möglichen Wiederwahl seine Strafe anfechten oder Rache suchen. Die Anklage könnte auch einen gefährlichen Vorbildcharakter für die Strafverfolgung von politischen Rivalen haben, was die amerikanische Demokratie langfristig schädigen könnte.


Dr. Josef Braml ist USA-Experte und European Director der Trilateral Commission – einer einflussreichen globalen Plattform für den Dialog eines exklusiven Kreises politischer und wirtschaftlicher Entscheider Amerikas, Europas und Asiens. Zuletzt erschienen beim Verlag C.H.Beck sein mit Mathew Burrows verfasstes Buch „Die Traumwandler. Wie China und die USA in einen neuen Weltkrieg schlittern“ und sein weiterhin aktueller Bestseller „Die transatlantische Illusion. Die neue Weltordnung und wie wir uns darin behaupten können“.

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