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Kulturkampf am Küchentisch

Einige Mahlzeiten im Familienkreis sind wahre Sternstunden im Küchenparlament.
Küchenparlament
Foto: Unsplashed | Ein gedeckter Tisch macht nicht nur Appetit aufs Essen, er lädt auch zum Diskutieren ein.

Wir haben am Kühlschrank einen Magneten mit der Aufschrift: „Kinder, kommt nörgeln, es gibt Essen!“ Der Spruch trifft zu – leider –, aber er wäre bei uns zu ergänzen. „Kinder kommt essen, wir wollen diskutieren.“ Wenn wir vor dampfenden Nudeln mit Hackfleischsoße sitzen oder vor einem Berg Pfannkuchen (fun fact: bei diesen beiden Mahlzeiten meckert bei uns niemand), dann ist das ein bisschen wie in einem Parlament.

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Irgendeiner in unserer siebenköpfigen Familie bringt eine Anekdote, eine Geschichte, eine Frage oder eine Kuriosität aus der Schule oder von der Arbeit mit, über die dann mitunter eine leidenschaftliche Diskussion entbrennen kann. Kürzlich schimpfte unser Jüngster über die „doofen Ausländer“. Eines der vielen Mitbringsel aus dem Grundschulbetrieb, die man nicht braucht, die aber ein perfekter Anlass für Widerspruch und Diskussion sind. „Du bist doch selber ein Ausländer!“, korrigiert der große Bruder.

Ein US-Bürger 

Unser Jüngster ist in den USA geboren und damit US-amerikanischer Staatsbürger. „Ich bin Deutscher und Amerikaner!“, der Kleine hat recht und denkt, dass die Diskussion damit beendet sei. Doch falsch gedacht. Jetzt gehen die Wortgefechte erst richtig los. Wir diskutieren über Fremde, Ausländer, Flüchtlinge, den Wert und die Würde des einzelnen Menschen und die Flüchtlingspolitik der Regierung. Wir streifen ein großes politische Thema auf der Makro- und Mikroebene.

Wir Großen helfen den Kleinen bei der Einordnung und dann ist er da, der Moment, auf den wir Eltern warten: der Moment der christlichen Prägung. Wie selbstverständlich beenden wir auch diese Diskussion mit einer Einheit zum christlichen Menschenbild. Nicht abstrakt oder theoretisch, sondern anhand einer Fragestellung, die die Kinder selber mit an den Mittagstisch gebracht haben.

Meinungsbildung in der Küche

Die gemeinsame Mahlzeit ist neben dem gemeinsamen Abendgebet der Dreh- und Angelpunkt in unserem familiären Leben. Wir lernen und leben Demokratie am Küchentisch. Wir prägen uns gegenseitig, bilden unsere Meinung und korrigieren uns dabei. Wir lachen, weinen, zanken und versöhnen uns wieder. Die Kleinen lernen von den Großen und umgekehrt. Die Welt, die uns die Kinder eröffnen, ist spannend, vielfältig und viel tiefsinniger, als man manchmal denkt. Am Küchentisch bei Speise und Trank wird effektiv ganzheitlich gelernt. Herz und Verstand, Leib und Seele werden angesprochen.

Nach richtig guten Diskussionen, bei denen alle zu Wort gekommen sind und jeder einen WOW-Moment hatte (also etwas gelernt hat), ist das anschließende Abdecken eine freudige Arbeit. Eine dankbare Verlängerung des Tischgesprächs. Dann packen sogar die Kinder gerne mit an, ohne dass wir sie daran erinnern müssen. Dann merkt jeder, dass nicht nur der Magen gut gefüllt ist und der Körper zufrieden ist, sondern auch der Geist, die Seele und das Herz.

Nicht jede Mahlzeit in unserer Familie bringt Erleuchtung und Zufriedenheit, das wäre eine falsche Vorstellung von unserem Familienleben. In der Regel wird eben doch gemeckert, wir sind müde und erschöpft von den Ereignissen des Tages. Aber es gibt zum Glück genug Sternstunden unseres Küchenparlamentes.

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Themen & Autoren
Theresia Theuke Fabian Theuke

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