Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung 20. Todestag von Marlon Brando

Der Einzigartige

Vor 20 Jahren starb die große Hollywood-Legende Marlon Brando. Rückblick auf ein Werk, welches unter anderem "Endstation Sehnsucht", "Der Wilde", und "Der Pate" beinhaltet.
Marlon Brando in einer Szene von "Der Wilde“  (1954)
Foto: Courtesy Everett Collection via www.imago-images.de (www.imago-images.de) | Mit seiner Paraderolle in „Der Wilde“ (1954) avancierte Marlon Brando (1924-2004) zum Idol einer ganzen Generation.

Ich mache ihm ein Angebot, das er nicht ablehnen kann.“ Diesen berühmten Satz aus Francis Ford Coppolas „Der Pate“ („The Godfather“, 1972) kennt jeder Kinoliebhaber. Don Vito Corleone spricht ihn, als ihm während der Hochzeitsfeier seiner Tochter verschiedene Mitglieder seiner New Yorker (Mafia-)Familie ihre Aufwartung machen und ihn um „Gefälligkeiten“ bitten. Der Haken daran: „Irgendwann, möglicherweise auch nie, werde ich dich bitten, mir eine kleine Gefälligkeit zu erweisen.“

Der Vollender des Method Acting

Marlon Brando spielt den furchteinflößenden Vito Corleone mit einer Mundprothese, die den Eindruck von bulldoggenartigen Hängebacken erweckt. Obwohl Brando zu diesem Zeitpunkt bereits ein bekannter Schauspieler war, war das Paramount-Studio – das die Filmrechte an der Romanvorlage von Mario Puzo erworben hatte – zunächst gegen sein Engagement, vor allem wegen seines Alters: Marlon Brando war erst 47 Jahre alt, während im Roman Vito Corleone als mindestens 65-jähriger Mann beschrieben wird. Außerdem war er nur 16 Jahre älter als seine Filmsöhne Al Pacino (Michael Corleone) und James Caan (Santino „Sonny“ Corleone). Dazu galt er als „aufmüpfig“. Heute kann man sich jedoch niemand anderen in der Rolle des Vito Corleone vorstellen. „Der Pate“ brachte ihm seinen zweiten Oscar ein, dessen Annahme er jedoch aus Protest für den aus seiner Sicht abwertenden Umgang der amerikanischen Filmindustrie mit den amerikanischen Ureinwohnern verweigerte.

Den Charakter des harten Typen mit weichem Kern hatte er bereits in seine Schauspielkarriere mitgebracht. Aufgrund seiner unangepassten Art und aggressiven Haltung gegenüber Autoritäten schickte ihn sein Vater in eine Militärakademie, die er wegen Ungehorsams verlassen musste. Dies mag auf die schwierigen Familienverhältnisse – seine alkoholabhängigen Eltern vertrugen sich nicht – in seiner Kindheit und Jugend zurückzuführen sein. Jedenfalls meinen Biografen darin Motive gefunden zu haben, die für seine frühen Filme typisch waren, etwa das des jugendlichen Rebells, hinter dessen aggressiver Macho-Attitüde sich eine verletzte und verletzliche Seele verbirgt. Übrigens: Der Familienname „Brando“ ist keineswegs italienischen Ursprungs. Seine Vorfahren sind die „Brandaus“, die vor Generationen aus der bayerischen Pfalz in den mittleren Westen der Vereinigten Staaten emigrierten.

Der am 3. April 1924 geborene Marlon Brando zog mit finanzieller Unterstützung seiner Eltern nach New York, um am „Dramatic Workshop“ teilzunehmen, aus dem bereits beispielsweise Harry Belafonte und Tony Curtis hervorgegangen waren. Dort lernte er Stella Adler kennen, die ihm das Method Acting nahebrachte. Diese von Lee Strasberg, Cheryl Crawford und Harold Clurman entwickelte Methode besteht darin, dass Schauspieler die äußerlichen wie innerlichen Lebensverhältnisse der darzustellenden Figur möglichst realitätsgetreu nachstellen.

Marlon Brando beherrschte nicht nur diese Methode, die zu Extremsituationen führen kann, perfekt. Mit seinen ersten Erfolgen machte er sie bekannt, die später auch James Dean, Robert De Niro, Marilyn Monroe, Julia Roberts, Dustin Hoffman und Johnny Depp anwendeten. So überraschte er in der Verfilmung von Tennessee Williams‘ Stück „Endstation Sehnsucht“ (1951), als er die Hauptfigur Stanley Kowalski so natürlich verkörperte, wie es das Kinopublikum bis dato nicht gesehen hatte. Schauspieler agierten damals, inspiriert vom Theater, eher affektiert.

Vom jungen Wilden zur unsterblichen Ikone

Brando dagegen ließ Kowalski murmeln und schreien, er war schroff, roh und aggressiv. Er hatte diese Rolle bereits in der Theaterinszenierung am Broadway gespielt – unter der Regie von Elia Kazan, der auch beim Kinofilm auf dem Regiestuhl saß. Diese Rolle brachte ihm den Ruhm ein, „Hollywoods neue Sensation“ zu sein. Später festigte Brando sein Image des „jungen Rebellen“ in Filmen wie László Benedeks „Der Wilde“ (1952), in dem er den Anführer einer Motorrad-Gang spielte, vor allem in „On the Waterfront“ (deutsch: „Die Faust im Nacken“, 1954). Er verkörperte Terry Malloy, einen jungen Hafenarbeiter, dessen Bruder tief in die Machenschaften der korrupten Gewerkschaft verwickelt ist.

Die äußerst komplexe Figur und Brandos Darstellung trugen dazu bei, dass die Presse den Film als Meisterwerk des für amerikanische Verhältnisse bis dahin selten gesehenen filmischen Realismus pries. Brando erhielt die besten Rezensionen seiner Karriere sowie mehrere wichtige Filmpreise, darunter auch seinen ersten Oscar.

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In Brandos Filmografie hat das Method Acting jedoch auch eine perfide Seite: Im Skandalfilm „Der letzte Tango in Paris“ (Bernardo Bertolucci, 1972), den viele als pornografisch bezeichneten, gibt es eine Szene, in der Paul (dargestellt von fast 50-jährigen Marlon Brando) die junge Jeanne (die erst 19-jährige Maria Schneider) vergewaltigt. Laut eigener Aussage kam die Idee dem Regisseur und seinem Hauptdarsteller die (selbstverständlich) simulierte Vergewaltigung spontan. Bertolucci gab zu, Schneider bewusst im Dunkeln gelassen zu haben, damit sie ihr Entsetzen und ihren Abscheu „nicht spielen musste“. Viele Jahre später, 2007, sage die 2011 gestorbene Schauspielerin, sie habe sich tatsächlich in dieser Szene „vergewaltigt gefühlt“.

Nach seiner ersten Zusammenarbeit mit dem damals erst 31-jährigen Coppola im eingangs erwähnten Film „Der Pate“, nahm Marlon Brando ebenfalls an einem Projekt teil, das Coppola als sein Meisterwerk schaffen wollte: Die Verfilmung von Joseph Conrads Roman „Herz der Finsternis“. Coppola, Produzent und Regisseur, arbeitete den Bericht des US-Offiziers Robert B. Rheault um: Im Film heißt er Kilgore und wird von Robert Duvall dargestellt („Ich mag den Geruch von Napalm am frühen Morgen“ ist sein bekanntester Spruch). Die Hauptfigur sollte aber nicht Kilgore, sondern Colonel Walter E. Kurtz sein, der im Dschungel Kambodschas seinen eigenen Krieg mithilfe von Deserteuren und der indigenen Bevölkerung führt, die ihn als „Gottheit“ verehren.

Die Rolle des wahnsinnig gewordenen Colonels in „Apocalypse Now“ (1979) mag als Paradebeispiel des Method Acting gelten, so wie von Marlon Brando in Perfektion angewandt wurde: Der Schauspieler verschwindet vollends hinter der Rolle.

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