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"Alles steht Kopf 2": Die Gefühle spielen erneut verrückt

Der Pixar-Animationsfilm setzt den beliebten Filmhit von 2015 fort.
Szene aus  „Alles steht Kopf 2“
Foto: Pixar (Disney) | Die Emotionen Freude, Kummer, Wut, Angst und Ekel haben auch in „Alles steht Kopf 2“ alle Hände voll zu tun – denn Riley ist nun im Teenageralter.

Nach neun Jahren Pause läuft nun endlich die heiß ersehnte Fortsetzung eines der beliebtesten und innovativsten Pixar-Animationsfilme in unseren Kinos an: „Alles steht Kopf 2“ (Originaltitel: Inside Out 2). Obwohl „Alles steht Kopf“ 2015 im Kino weltweit 857,6 Millionen Dollar einspielte und in Deutschland 3,5 Millionen Besucher ins Kino lockte sowie auch überragend gute Kritiken bekam und 2016 einen Oscar für den besten Animationsfilm gewann, blieb es im Hause Pixar Animation Studios lange Zeit still um eine mögliche Fortsetzung.

Erst vor zwei Jahren wurde offiziell verkündet, dass die Verantwortlichen bei Pixar im Vertrieb von Disney eine Fortsetzung produzieren werden. Während im ersten Film Peter Docter noch die Regie führte und jetzt lediglich als Co-Produzent beteiligt ist, nahm für den zweiten Teil Kelsey Mann auf dem Regie-Stuhl Platz. Dabei handelt es sich um sein Regie-Debut im Kino, da Kelsey Mann bisher nur den Kurzfilm „Party Central“ selbst inszeniert hat und ansonsten Story Supervisor bei kleineren Animationsfilmen wie „Monster Uni“, „Arlo & Spot“ und „Onward“ war.

Eine Farbe für jedes Gefühl

Im ersten Teil wurden wir zu Beginn Zeugen der Geburt von Riley Andersen und wie damit gleichzeitig ihre „Emotionszentrale“ gestartet wurde. Die Freude, als Rileys erste Emotion, betrat das Kontrollzentrum im Kopf und Riley lächelte ihre Eltern an. Die erste Erinnerungskugel an dieses schöne Ereignis rollte in die Kommandozentrale und wurde abgespeichert. Kurz darauf tauchte jedoch der Kummer auf, da Riley anfing, zum ersten Mal zu weinen. Fortan prägten Rileys Kindheit fünf anthropomorph dargestellte Basisemotionen: Freude (gelb), Kummer (blau), Angst (lila), Wut (rot) und Ekel (grün).

Unter der Leitung der Freude führten die Basisemotionen Riley mithilfe eines Schaltpultes durch den Alltag. Die Freude sorgte dafür, dass Riley glücklich war. Die Angst bewahrte sie vor Fehlern und Verletzungen. Die Wut sorgte für Gerechtigkeit und der Ekel dafür, dass Riley nicht krank wurde. Nur der Kummer schien am Anfang keine wirkliche Aufgabe zu haben und wurde daher weitestgehend unterdrückt.

Jede Erinnerungskugel leuchtete dabei in der Farbe, die der zugrundeliegenden Emotion entsprach. Am Ende des Tages beförderten die fünf Helfer die verschiedenen Kugeln über eine Rohrpost in das Langzeitgedächtnis von Riley. Fünf zentrale, gelbe Erinnerungskugeln wurden aber im Kontrollraum aufbewahrt: Jede dieser Kernerinnerungen erzeugte dabei eine Erinnerungsinsel, aus denen sich mit der Zeit Rileys Persönlichkeit zusammensetzte: „Familie“, „Ehrlichkeit“, „Eishockey“, „Freundschaft“ und „Quatsch machen“.

Als Riley elf Jahre alt war, zog sie schließlich mit ihren Eltern nach San Francisco um und das emotionale Chaos nahm seinen Lauf. Im Verlauf der weiteren Handlung mussten die fünf Basiselemente lernen, dass man in der komplexen Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen keine Gefühle unterdrücken darf, sondern dass es letztlich zu einem guten Zusammenspiel aller Emotionen kommen muss.

Als die „Emotionszentrale“ abgerissen werden soll

Nun ist Riley (Kensington Tallman) in der Fortsetzung mittlerweile im Teenager-Alter angekommen und feiert ihren 13. Geburtstag.  Damit ist klar, dass die fünf Basisemotionen in ihrem Kopf jetzt erst recht nicht zur Ruhe kommen werden. Freude (Amy Poehler), Kummer (Phyllis Smith), Wut (Lewis Black), Angst (Tony Hale) und Ekel (Liza Lapira) dachten sich, dass sie Rileys Kopf mittlerweile gut im Griff hätten. Doch dann soll plötzlich die so gut eingespielte Kommandozentrale abgerissen werden, weil es mehr Platz für noch weitere Emotionen braucht! Erst schleicht sich der Zweifel (Maya Hawke) ein und dann kommen noch Neid (Ayo Edebiri), Ennui (französisch für „Langeweile“, Adele Exarchopoulos) und Peinlichkeit (Paul Walter Hauser) hinzu. Die plötzliche beinahe Verdoppelung der Emotionen bringt Rileys Kopf und Gefühlswelt fortan gehörig durcheinander.

Und Freude, Kummer, Wut, Angst und Ekel sind sich auch nicht einig, wie sie mit den neuen Emotionen umgehen sollen. Dementsprechend kommt auf Freude und Co. wieder jede Menge Arbeit zu, um die Irrungen und Wirrungen der beginnenden Pubertät zu meistern und Riley, durch die nicht unerheblich komplizierte Biochemie, ihrer von vielen Unsicherheiten und Identitätsproblemen bestimmten Teenager-Gefühlswelt, sicher zu manövrieren.

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Natürlich bleibt auch die Fortsetzung, wie schon der Vorgängerfilm, dabei stets humorvoll und familienfreundlich, aber auch sensibel und am Puls der Zeit. Dies mag man als Gewinn ansehen oder auch bemängeln, da der Film dadurch auch keine Ecken und Kanten hat, an denen man sich reiben kann und die tatsächliche Komplexität von menschlichen Gefühlen, die oft sehr widersprüchlich sein können, nicht wirklich vorkommt.
Auch kann manch einen die Vielzahl der neuen und durchaus sympathischen Figuren überfordern, so dass man irgendwann den Überblick verliert. Obwohl die Fortsetzung ein etwas höheres Budget als noch der Vorgängerfilm hatte und dieser auch schon fast zehn Jahre alt ist, wirkt Teil 2 optisch und von der visuell-kreativen Umsetzung her nicht besser als der erste Film. Hier wäre mehr drin gewesen.

Das Leben und die Gefühle meistern

Inhaltlich hat „Alles steht Kopf 2“ aber einiges zu bieten, weil der Film wichtige Fragen stellt, wenn es um unsere persönliche Identität geht.
Wie beeinflussen uns unsere Emotionen körperlich? Wie entwickeln wir eine emotionale Intelligenz, die gelernt hat mit den eigenen komplexen Gefühlen umzugehen und sie gut zu kanalisieren und in unsere Persönlichkeitsstruktur zu integrieren? Was gibt uns emotionale Resilienz im Leben? Welche emotionalen Fundamente besitzen wir? Wie gehen wir mit emotionalen Widersprüchen bei uns selbst und anderen um? Was gibt uns im Letzten Halt, wenn unser Leben mal wieder Kopf steht?

All diese Fragen wirft der Film auf und ist damit, viele bereits zahlreiche andere Animationsfilme aus dem Hause Pixar, deutlich mehr als nur ein harmloser Unterhaltungsfilm.

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Norbert Fink

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