Im Jahr 1919 schrieben die Verfasser der Weimarer Reichsverfassung den Auftrag zur Ablösung der Staatsleistungen in ihr Gesetzeswerk. Nur 30 Jahre später, im Mai 1949 brauchte Deutschland schon wieder eine Verfassung. Die Staatsleistungen gab es noch. So wurde der Auftrag zur Ablösung der Staatsleistungen wortgleich ins neue Grundgesetz übernommen. Erneut 30 Jahre später, im Jahr 1979, schrieb der deutsche Schriftsteller Michael Ende einen Klassiker der Jugendbuchliteratur: „Die unendliche Geschichte“. Das Land Phantasien wird durch das Nichts bedroht, das es immer wieder verschlingt, bis der Held der Geschichte der kindlichen Kaiserin einen neuen Namen gibt.
Eine unendliche Geschichte ist auch die Ablösung der Staatsleistungen. Es gibt allerdings einen Unterschied: Der Verfassungsauftrag hat realistisch gesehen seinen regulären Aufenthaltsort im politischen Nichts. Alle paar Jahrzehnte kommen einer oder mehrere politische Helden und geben dem Auftrag zur Ablösung einen neuen Namen und damit neues Leben. In dieser Legislaturperiode sollte es ein Grundsätzegesetz geben, das der Bund verabschieden und darin die Rahmenordnung für die Ablösung durch die Bundesländer festlegen wollte. Allem guten Willen der Bundestagsfraktionen der Ampelkoalition zum Trotz ist das Gesetz offensichtlich gescheitert.
Das bayerische „Njet“
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder verbannte gleich den ganzen Verfassungsauftrag wieder ins politische Nichts. Er spielte dabei populistisch in Rom die Karte der Trennung von Staat und Kirche, die es zu verhindern gelte. Auch wenn der religionspolitische Sprecher der SPD, Lars Castellucci, in seiner Stellungnahme gegenüber der Katholischen Nachrichten Agentur (kna) versuchte, die Ablösung wieder vor dem Nichts in eine - trotzdem ungewisse - Zukunft zu retten, bleibt es dabei, dass es in dieser Legislaturperiode kein Grundsätzegesetz geben wird. Selbst wenn man jetzt noch einen Gesetzgebungsversuch wagen würde, wäre das Scheitern gewiss. Den Grund nannte der Leiter des Katholischen Büros in NRW, Antonius Hamers, gegenüber der "Tagespost". Der Bund plant ein Gesetz und die Länder müssen die Zeche zahlen. Das geht nur, wenn man sich klar und offen miteinander abstimmt, was offensichtlich nicht oder nicht ausreichend passiert ist.
So geht die unendliche Geschichte weiter, indem die Länder nun wieder auf unbestimmte Zeit jährlich 600 Millionen Euro aus Steuergeldern an die Bistümer und Landeskirchen zahlen, für die es immer weniger politische und gesellschaftliche Akzeptanz gibt. Auch Castellucci stellte die Drohung von Kürzung oder Einstellung der Zahlungen durch einzelne Länder in den Raum. Das ist so realistisch wie es unrechtmäßig und gefährlich wäre. Während einige Bistümer problemlos auf die Zahlungen verzichten könnten, sind die Leistungen für andere von existenzieller Bedeutung. Es wird, spätestens in der nächsten Legislaturperiode höchste Zeit, eine Lösung zu finden.
Ablösung kann kreativ und im Konsens erfolgen
Staatsleistungen, so sagen Experten, lassen sich auch durch Verstetigung der Zahlungen ablösen. Das käme den angespannten Haushalten der Länder sehr entgegen. Eine verbindliche und zeitgemäße Lösung wird sich allerdings nur im Konsens von Bund, Ländern, Bistümern und Landeskirchen finden lassen. Es braucht dazu keine radikale Trennung zwischen Staat und Kirche, die in Deutschland ohnehin nicht funktionieren könnte, da die Kirche zahlreiche soziale Aufgaben für den Staat übernommen hat.
Ein zeitgemäßer Staatsvertrag wäre für alle weitaus sicherer und verlässlicher als diese ewig mitgeschleppte Last aus Weimar. „Die unendliche Geschichte“ mag ein beeindruckendes Jugendbuch sein. Eine unendliche Geschichte ist jedoch niemals eine gute Maxime politischen Handelns. Es braucht eine konzertierte Aktion, um diesen Ballast endlich abzuwerfen.
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