Das Europäische Parlament hat am Dienstag die Ausbeutung von Leihmutterschaft, Zwangsheirat und illegale Adoption in die EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels aufgenommen. Mit 563 Stimmen bei sieben Gegenstimmen und 17 Enthaltungen fügten die Mitglieder des Europäischen Parlaments die genannten Tatbestände der Liste von Straftaten in Zusammenhang mit Menschenhandel hinzu, die bereits sexuelle Ausbeutung, Zwangsarbeit, einschließlich Betteln, Sklaverei, Leibeigenschaft oder die Ausnutzung krimineller Aktivitäten und die Entnahme von Organen enthält.
„Die Änderungen der EU-Menschenhandelsrichtlinie müssen nun auch Änderungen im Strafgesetzbuch nach sich ziehen. Leihmutterschaft, Zwangsheirat und illegale Adoption sind nun als neue Ausbeutungsformen zusätzlich zu ahnden“, kommentierte die Leiterin der Berichterstattungsstelle Menschenhandel des Deutschen Instituts für Menschenrechte Naile Tanış die Entscheidung.
Mitgliedsstaaten müssen Richtlinie übernehmen
Tatsächlich muss der Rat der EU die Modifizierung der Richtlinie noch förmlich genehmigen, bevor sie in Kraft tritt. Die Mitgliedstaaten haben anschließend zwei Jahre Zeit, um die Bestimmungen umzusetzen. Eine vorläufige Einigung über die Richtlinie haben der belgische Vorsitz des Rates und die Vertreter des Europäischen Parlaments bereits im Januar erzielt. Wie in der derzeit geltenden Richtlinie werden auch die neuen Formen der Ausbeutung – Zwangsheirat, illegale Adoption und Leihmutterschaft – nach Inkrafttreten der Richtlinie mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens fünf Jahren oder bei schweren Straftaten mit einer Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren geahndet.
Dass das Europäische Parlament mit dieser Abstimmung auch Formen der Leihmutterschaft zum Menschenhandel erklärt, geht auf den französischen Abgeordneten Francois-Xavier Bellamy zurück, der die Liste der bürgerlichen „Républicains“ zur Europawahl anführt.
Sind alle Formen der Leihmutterschaft gemeint?
„Insbesondere im Hinblick auf den Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung einer Leihmutterschaft zielt diese Richtlinie auf Personen ab, die Frauen zwingen, als Leihmutter zu fungieren, oder sie durch List dazu bringen, dies zu tun“, heißt es in der EU-Richtlinie nun weiter. Erklärt das EU-Parlament damit Leihmutterschaft generell zum Menschenhandel oder nur bestimmte Formen dieser Praxis?
Der französische Jurist Bernard Garcia Larrain kommentiert dazu, es sei „schwer vorstellbar, wie die Leihmutterschaft nicht als Ausbeutung angesehen werden könnte“ und wies auf Artikel 2 der Richtlinie hin. Dort heißt es: „Eine besondere Schutzbedürftigkeit liegt vor, wenn die betreffende Person keine wirkliche oder für sie annehmbare andere Möglichkeit hat, als sich dem Missbrauch zu beugen.“ Dies sei, so Garcia Larrain, bei den meisten Leihmüttern der Fall.
Garcia Larrain ist Koordinator der internationalen Casablanca-Koalition zur weltweiten Abschaffung der Leihmutterschaft. Auch das Juristenkollektiv „Juristes pour l’Enfance“ weist darauf hin, dass Leihmutterschaft immer auf einer Form von Zwang realisiert werde, „sie er wirtschaftlicher, emotionaler oder familiärer Art“. „Leihmütter glauben zu machen, dass sie nicht die Mütter der Kinder wären, die sie gebären“, sei außerdem immer eine Form der Täuschung.
Deutschland auf dem Weg zur Leihmutterschaft?
In Deutschland erklärte die Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin letzte Woche in ihrem Abschlussbericht, ein Verbot der Leihmutterschaft sei verfassungsrechtlich nicht geboten. Leihmutterschaft verletze „nicht in jedem Fall“ die Würde der Leihmutter oder des von ihr geborenen Kindes. Eine Legalisierung bestimmter Formen der sogenannten „altruistischen“ Leihmutterschaft hält die Kommission in Deutschland für denkbar. In ihrem Bericht wies die Kommission letzte Woche noch darauf hin, im Europarecht gebe es „kaum verbindliche Regelungen und zu diesen wenig konkretisierende Rechtsprechung“ zur Leihmutterschaft.
Auch die Bundesvorsitzende der Aktion Lebensrecht für Alle (ALfA) e.V., Cornelia Kaminski, kommentierte die Entscheidung des EU-Parlaments: „Die Richtlinie legt ausdrücklich fest, dass die Zustimmung eines Opfers von Menschenhandel zur Ausbeutung ,irrelevant‘ ist. Entscheidend ist vielmehr, dass eine Frau, die sich als Leihmutter zur Verfügung stellt, nahezu vollständig die Selbstbestimmung über ihren Körper und ihr Leben abgeben muss, was dem Wesen der Sklaverei entspricht.“
Weiter heißt es, es „wäre sehr zu begrüßen, wenn angesichts dieser Entscheidung die Expertenkommission, die eine Möglichkeit zur Legalisierung der sogenannten ,Leihmutterschaft‘ in Deutschland sieht und an anderer Stelle ihre Forderungen mit ,Europarecht‘ begründet, nun genau dieses Europarecht heranzieht, um ihre Empfehlung zur Legalisierung dieser Form von Menschenhandel in Deutschland zu revidieren“, so Kaminski. DT/fha
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