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SELK-Streit um Frauenordination: Zeitgeist statt Argumente

Innerhalb der Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK) tobt ein Streit um die Frauenordination. Frauen sind in der SELK bisher aufgrund theologischer Überlegungen vom „Predigtamt“ ausgeschlossen.
Pfarrerin Juliane Engert in Heiligenhaus
Foto: IMAGO/ (www.imago-images.de) | Die Frauenordination ist in den meisten evangelischen Kirchen gängige Praxis.

Dass Frauen nicht zu Priestern geweiht werden können, ist in der katholischen Kirche spätestens seit dem Apostolischen Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“ von Papst Johannes Paul II. aus dem Jahr 1994 endgültig lehramtlich geklärt. Freilich gibt es unverbesserliche Realitätsverweigerer, die dennoch an der Forderung der Frauenweihe festhalten und sich nun an die Hoffnung klammern, es könnten in naher Zukunft zumindest Diakoninnen geweiht werden. Diese Hoffnung ist nicht gänzlich aus der Luft gegriffen, beschäftigt sich aktuell doch immerhin eine im Jahr 2020 von Papst Franziskus eingesetzte Studienkommission mit dem Thema.

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Anders dagegen die Situation in den evangelischen Glaubensgemeinschaften: Hier prägen Pfarrerinnen das öffentliche Bild sogar stärker als ihre männlichen Kollegen. Was auf den Dachverband der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zutrifft, gilt aber nicht für alle evangelischen Gemeinschaften.

Ausnahmeerscheinung SELK

Eine bemerkenswerte und die zugleich gewichtigste Ausnahme stellt die 1972 gegründete Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche (SELK) dar, die bis heute keine Frauenordination kennt. Doch das heißt nicht, dass diese Frage dort keine Rolle spielte – im Gegenteil.

Seit einiger Zeit ist in der SELK ein offener Streit darüber entbrannt, ob Frauen nicht doch der Zugang zum Pfarramt gewährt werden sollte. Ein beteiligter Reformbefürworter spricht diplomatisch, aber deutlich von einer „sehr angespannten theologischen Klärungsphase“.

Reformforderungen sind heikel

Auf beiden Seiten der Debatte haben sich Laienvereinigungen formiert: Die Initiative Frauenordination (InFO) spricht sich für die Ordination weiblicher Pfarrer aus. Die Initiative pro Grundordnung (InGO) macht sich dagegen für den Erhalt der geltenden Grundordnung stark. In deren aktueller Fassung vom ersten August 2023 heißt es in Artikel 7 (2) zum „Predigtamt“ unmissverständlich: „Dieses Amt kann nur Männern übertragen werden.“

Die Reformforderungen der InFO sind nicht zuletzt aufgrund der Geschichte der SELK besonders heikel. Eine der Gründe für die Konstitution der SELK bestand nämlich gerade in der Ablehnung sich breitmachender „bibel- und bekenntniswidriger Lehren und Auffassungen durch die Kirchenbehörden“, wie es in einem auf der Homepage der SELK veröffentlichten Beitrag des Theologen Werner Klän zur Geschichte der Gemeinschaft heißt.

Kontroverse Debatte

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass in der SELK von Anfang an kontrovers über die Frauenordination diskutiert worden ist. Das bestätigen selbst jene, die an der geltenden Grundordnung festhalten wollen. Um nicht Öl ins Feuer zu gießen, scheuen Vertreter beider Seiten davor zurück, mit Aussagen an die Öffentlichkeit zu gehen und verweisen lieber auf die innerhalb der SELK bereits lang und breit geführte inhaltliche Debatte.

Dokumentiert ist diese im „Atlas Frauenordination“, der die Ergebnisse eines langjährigen Arbeitsausschusses zusammenfasst und 2022 vom 14. Allgemeinen Pfarrkonvent der SELK veröffentlicht wurde. Darin werden insbesondere die einschlägigen Passagen aus der Heiligen Schrift – etwa 1 Kor 11,2–16, 1 Kor 14,33-38 und 1 Tim 2,8-15 – von beiden Seiten aus argumentativ beleuchtet. Hinzu kommt die Diskussion von Argumenten aus der Dogmatik und solchen, die sich aus der Zeitgenossenschaft der Kirche und der historisch veränderten Auffassung von Gleichberechtigung ergeben.

Weltbilder prallen aufeinander

In der letzten Rubrik finden sich Behauptungen, die auch aus dem katholischen Kontext bekannt sind. So sei das Verbot der Frauenordination etwa „missionarisch kontraproduktiv“ und verhindere „die Anschlussfähigkeit an den gesellschaftlichen Diskurs“. Die nahe liegende Antwort der Gegner: Gesellschaftliche Anschlussfähigkeit ist schlicht kein Kriterium für theologische Wahrheit.

Am Ende des ausgewogenen Papiers steht jedoch die ernüchternde Feststellung, dass unterschiedliche Weltbilder aufeinanderprallen, zwischen denen argumentativ nicht mehr zu vermitteln ist: „Es geht um Lebensentwürfe und welche Denkmodelle und Grundkonzepte uns diesbezüglich kirchlich-theologisch geprägt haben. Die Vorentscheidungen fallen also, lange bevor wir miteinander die Bibel aufschlagen.“

Lehrfrage oder Ordnungsfrage?

Der Allgemeine Pfarrkonvent der SELK hat bereits 2013 die Frage nach der Frauenordination zu einer theologischen Lehrfrage erklärt. Und doch ist man sich inzwischen selbst darüber uneins. Manche Reformwillige behaupten nämlich im Gegenteil, es handle sich um eine bloße „Ordnungsfrage“ – und Ordnungen könnten eben geändert werden, wenn sich die entsprechenden Mehrheiten fänden.

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Damit ist die Situation innerhalb der SELK ein Spiegel der gesamten Gesellschaft, die immer stärker an Unduldsamkeit und weltanschaulicher Zerklüftung leidet. Während jedoch die Gesellschaft den rationalen Diskurs zu großen Teilen eingestellt hat, bemüht man sich bei der SELK einerseits um einen sachlichen Austausch von Gründen, muss andererseits aber resigniert feststellen, dass man den Punkt erreicht hat, an dem sich der argumentative Spaten zurückbiegt und rationale Diskussionen nicht mehr weiterhelfen.

Kirchliche Einheit- nur ein frommer Wunsch?

Auf Nachfrage ist aus der SELK zu hören, dass die Kirchensynode in Gotha im letzten Jahr darauf hingewiesen habe, dass die kirchliche Einheit ein sehr hohes Gut sei und dass sowohl die Befürworter als auch die Gegner der Frauenordination der SELK treu bleiben wollten. Doch dies scheint angesichts der unüberbrückbar wirkenden Differenzen bloß ein frommer Wunsch zu sein.

Derzeit sind die Gemeinden der SELK aufgefordert, Voten zu den im „Atlas Frauenordination“ beschriebenen Szenarien für die Zukunft abzugeben. Drei grundsätzliche Möglichkeiten gibt es: Entweder die SELK fällt eine Entscheidung für oder gegen die Beibehaltung der geltenden Grundordnung – und beendet dadurch die Debatte – oder sie entscheidet sich, die Spannung weiter auszuhalten, oder sie beschließt, getrennte Wege zu gehen – sei es durch eine organisatorische Trennung „innerhalb eines Kirchenkörpers“ oder eine echte Aufspaltung. Die gesammelten Voten könnten dann auf der nächsten Synodaltagung 2024 präsentiert werden.

Neue inhaltliche Erkenntnisse sind nicht zu erwarten

Eins dürfte aber schon jetzt klar sein: Neue inhaltliche Erkenntnisse sind nicht zu erwarten. Vielmehr wird sich rein zahlenmäßig zeigen, ob sich die Machtverhältnisse pro Frauenordination verschoben haben. Um die Grundordnung zu ändern, müsste allerdings auch noch der Allgemeine Pfarrkonvent, der 2025 das nächste Mal tagt, die geltende theologische Lehrentscheidung, die nur Männer zum Pfarramt zulässt, mit einer Zweidrittelmehrheit revidieren. Prognosen, wie die Sache letztlich ausgeht, will innerhalb der SELK niemand wagen.

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