Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Leihmutterschaft in Italien

Fortpflanzungstourismus wird zum riskanten Spiel

Das heimische Leihmutterschaftsverbot im Ausland umgehen und dann in der Heimat auf Anerkennung der Familienverhältnisse pochen? Der italienische Gesetzgeber lässt das bald nicht mehr mit sich machen.
Italien: Demonstration für Leihmutterschaft am 5. April 2024
Foto: Olivier Caillard | „Familien, keine Verbrecher“, steht auf den Schildern der Regenbogenfamilien, die Anfang April in Rom gegen die Ausweitung des Leihmutterschaftsverbotes in Italien protestiert haben.

Leihmutterschaft ist in Italien verboten. Wer sie auf italienischem Boden durchführt, organisiert oder dafür wirbt, riskiert bis zu zwei Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von 600.000 bis zu einer Million Euro. Nun steht ein neuer Gesetzentwurf der Regierungspartei Fratelli d'Italia kurz vor der finalen Abstimmung, mit dem Leihmutterschaft ebenso bestraft werden soll, wenn sie von italienischen Staatsbürgern im Ausland in Anspruch genommen wird.

Am vergangenen Freitag erklärte Giorgia Meloni erneut ihre Unterstützung für das Gesetzesvorhaben, das Leihmutterschaft zu einem universellen Verbrechen („reato universale“) machen soll. „Niemand kann mich davon überzeugen, dass es ein Akt der Freiheit ist, seine Gebärmutter zu vermieten; niemand kann mich davon überzeugen, dass es ein Akt der Liebe ist, Kinder als Ware im Supermarkt zu betrachten“, so die Regierungschefin bei einem Demografie-Kongress in Rom.

Erster Schritt zum internationalen Verbot?

Gegner der Leihmutterschaft sehen in der Unterbindung des „Fortpflanzungstourismus“ einen ersten Schritt hin zu einem internationalen Verbot der Praxis, die auch Feministen als Ausbeutung der Frau und Kinderhandel betrachten. Von einem Leihmutterschaftsverbot nicht ganz getrennt zu betrachten ist die Frage, wie ein Staat mit bereits geborenen Kindern umgeht und dafür sorgt, dass sie – wenigstens rechtlich – nicht unter den Umständen leiden müssen, unter denen sie geboren wurden. Italiens Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni gehe gegen gleichgeschlechtliche Paare und Regenbogenfamilien vor, liest sich seit einem Jahr immer wieder in italienischen und deutschen Medien. Das Narrativ: Die rechte Regierung habe die Kommunen angewiesen, Geburtsurkunden von Neugeborenen mit gleichgeschlechtlichen Eltern nicht mehr anzuerkennen. Dadurch würden die Rechte der betroffenen Kinder beschnitten und die Familiengründung für gleichgeschlechtliche Paare erschwert oder gar unmöglich gemacht.

Ein Faktencheck ergibt ein differenzierteres Bild: Nicht die Meloni-Regierung, sondern der Oberste Gerichtshof Italiens hatte bereits 2019 entschieden und 2022 bekräftigt, dass ein im Ausland durch Leihmutterschaft begründetes Abstammungsverhältnis nicht in das italienische Personenstandsregister übernommen werden darf. Das Gesetz zur medizinisch unterstützten Fortpflanzung von 2004 verbietet Leihmutterschaft und künstliche Befruchtung durch heterologe Insemination (Verwendung von Spendersamen) sowohl für hetero- als auch für homosexuelle Paare. Homosexuelle Paare können zwar seit 2016 in Italien eine eingetragene Partnerschaft eingehen, die Adoption (jenseits der Stiefkindadoption) bleibt ihnen jedoch weiterhin verschlossen.

Dienstleistungen werden im Ausland in Anspruch genommen

Eine jährlich wachsende Zahl von homo- und heterosexuellen Paaren umgehen das italienische Verbot von Leihmutterschaft und heterologer Insemination, indem sie die entsprechende Dienstleistung im Ausland in Anspruch nehmen. In der Vergangenheit konnten Paare damit rechnen, dass die Behörden eine ausländische Geburtsurkunde, auf der neben dem biologischen Elternteil auch der (gleichgeschlechtliche) Wunschelternteil vermerkt war, anstandslos auf eine italienische Geburtsurkunde umschrieben. Der vom Obersten Gerichtshof 2022 vorgezeichnete Weg für die Anerkennung von durch Leihmutterschaft begründeten Abstammungsverhältnissen sieht jedoch anders aus: Während der biologische Elternteil des Kindes unmittelbar als Elternteil anerkannt wird und das Kind somit alle Rechte eines italienischen Staatsbürgers hat, muss der Wunschelternteil nun den Weg über die Stiefkindadoption nehmen. Ein teures und aufwendiges Verfahren, kritisieren Betroffene – die jedoch im Vorfeld bereits ein Vielfaches der Adoptionskosten für die Inanspruchnahme einer Leihmutterschaft oder einer künstlichen Befruchtung im Ausland bezahlt haben.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Italiens Politik in der Vergangenheit bereits zweimal den Rücken gestärkt, zuletzt 2023. Drei homosexuelle italienische Paare hatten geklagt, da Italien mit der Weigerung, die ausländischen Geburtsurkunden in das italienische Geburtsregister zu übertragen, ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletze. Der EMGR bestätigte jedoch die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Italiens, nur den biologischen Elternteil als solchen anzuerkennen und dem Wunschelternteil den Weg zur Stiefkindadoption zu öffnen.

EU-Kommission schlägt gegenteiligen Weg ein

Einen gegenteiligen Weg schlägt die Europäische Kommission ein, flankiert vom Europäischen Parlament. Ein Verordnungsentwurf der EU-Kommission sieht vor, dass eine Elternschaft, die in einem EU-Land begründet wurde, automatisch in der gesamten EU anerkannt werden soll. Das Europäische Parlament ergänzte im Dezember, Mitgliedsstaaten sollten weiterhin entscheiden dürfen, ob auf ihrem eigenen Staatsgebiet eine Elternschaft zum Beispiel durch eine Leihmutterschaft begründet werden könne oder nicht. Eine im europäischen Ausland begründete Elternschaft müsse jedoch unabhängig davon, wie das Kind empfangen oder geboren wurde, anerkannt werden. Der Verordnungsentwurf kann nur einstimmig durch alle Mitgliedsstaaten angenommen werden. Nicht zuletzt aufgrund der Position Italiens dürfte ein einstimmiger Beschluss aktuell in weiter Ferne liegen.

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