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Herausforderung KI: Was nur der Mensch kann

Die Künstliche Intelligenz zwingt, sich auf das Grundsätzliche zu besinnen, schreibt Peter Schallenberg.
KI
Foto: Adobe Stock | Künstliche Intelligenz birgt Chancen und Gefahren. Wir brauchen ethische Regeln dazu weitaus mehr aus gesetzliche Normen.

Vergangenen Freitag veranstaltete der Bund Katholischer Unternehmer in  Köln seine Frühjahrstagung mit verschiedenen interessanten Vorträgen zum Thema der KI, also zur künstlichen Intelligenz. Die Ausgangsfrage war: Bringt der KI-Nutzen unsere ethischen Prinzipien ins Wanken?

Je länger ich zuhörte, desto mehr geriet ich ins Grübeln und Sinnieren: Sind wir wirklich schon soweit, unbemerkt und fast unter der Hand Intelligenz und Vernunft zu verwechseln oder gar bewusst auszutauschen? Haben wir wirklich die klassische griechische Unterscheidung von bios (das quantitativ lange Überleben, das der Mensch mit den Landschildkröten teilt) und zoé (das qualitativ gute Leben, das erst ein Überleben lohnenswert macht) schon gänzlich vergessen? Und die dem auf dem Fuß folgende Unterscheidung von Poiesis und Praxis, von herstellendem Handeln (der Kfz-Werkstatt) und ausdrückendem Handeln (der Arztpraxis), die erst überhaupt Ethik jenseits der Technik, Metaphysik jenseits der Physik und die Frage nach dem Guten jenseits des Nützlichen sinnvoll und möglich macht?

Wo bleibt die Frage nach dem guten Leben?

Ganz konkret und im Blick auf Anwendungen der KI: Wer fragt vor Erstellung eines künstlichen Algorithmus nach dem Nutzen für das Gute der betroffenen menschlichen Personen? Was nützen Pflegeroboter über basale Pflege hinaus, wenn sie nicht trösten oder Vergebung für schwere Schuld in der Lebensgeschichte zusagen können? Oder noch brenzliger: Könnten wir uns vorstellen, uns von Maschinen und Programmen trösten zu lassen? Dann aber: gute Nacht Marie …

Die entscheidende Frage: Was bleibt am Ende nur dem Menschen möglich? Und das ist einzig notwendig! Mir fielen zwei Grundsätze der klassischen griechischen Philosophie ein: „Nicht mit zu hassen, mit zu lieben bin ich da!“ (Antigone) Und: „Lieber Unrecht erleiden, als Unrecht tun!“ (Plato, Gorgias) Erst wenn das auch vom Algorithmus anstelle von lebenden Personen glaubhaft ausgesprochen würde, wäre das Ende der Menschheit gekommen. Mir scheint, bis dahin ist es noch lang hin …


Der Autor lehrt Moraltheologie und Ethik an der Theologischen Fakultät Paderborn.

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