In einem Gastbeitrag auf „katholisch.de“ vom Wochenende hat der Theologe und Publizist Ludger Verst für eine Neugestaltung von Pfarrgemeinden und für ein Umdenken im Gottesbild plädiert. Mit Blick auf die letzte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung, die zeige, wie wenig Relevanz der Glaube im Leben der Menschen habe, schrieb er: „Eine Umstellung vom Denken in Substanzen zu einem Verstehen in Beziehungen und Sichtweisen tut not.“ Anstelle der klassischen Gemeindepastoral müsse „eine konfessions-, in Metropolen auch religionsübergreifende Kommunikationspastoral“ treten.
Auf „Beteiligung und Vernetzung“ wäre das Hauptaugenmerk zu richten. Es „bräuchte neue Initiativ- und Kreativräume, auch liturgisch“, so Verst. Er sieht darin auch für die Ökumene einen Vorteil: An die Stelle „konfessioneller Enge träte auf lange Sicht ein breiterer und tieferer Dienst der Verständigung und Versöhnung, nicht zuletzt im Innerkirchlichen selbst“.
Neuqualifizierung der veränderten religiösen Landschaft
Diese Form der Umstrukturierung nannte der Theologe eine Erneuerung. Er kritisierte, dass Menschen meinten, Modernisierung der Religion würde selbiger „den funktionalen Nährboden“ entziehen und sie letztlich negativ beeinflussen. Nicht „quantitative Methoden“ brauche es, sondern eine neue Qualifizierung der veränderten religiösen Landschaft, die sich von kirchengebundenen Formen des Religiösen „hin zu stark privatisierenden, patchworkartig-fragilen Ausdrucksformen“ gewandelt habe.
Religion sei weithin „unsichtbar" geworden. Dies sei die „Folge vielfältiger kultureller Transformationen“, in deren Verlauf Transzendenzkonzeptionen nicht einfach verschwinden, sondern sich langsam umbilden. Zwei Drittel der Kirchenmitglieder teilten das christliche Gottesbild nicht mehr.
"Religion ist ein Aspekt des Weltlichen"
Insofern sei die Frage nach „Rolle und Relevanz“ transdisziplinär neu zu bestimmen und nicht allein dem „religiösen Deutungsraum“ zu überlassen. „Religion ist ein Aspekt des Weltlichen“, so Verst, der sich für „einen kritischen Einspruch gegen die traditionelle Doktrin eines wie auch immer gewandeten Theismus“ ausspricht. Gott sei keine substanzhafte Größe, erklärte der Theologe und stellte sich die Frage nach Gottesbildern, „bei denen auch heute noch an einem ,personalen‘ Transzendenzbezug festgehalten wird“.
Ein Blick in die Gesellschaft zeige, dass „die Dynamik persönlicher und gesellschaftlicher Entwicklungen“ längst zu „neuen, unkonventionellen Mustern der Verbindung von Religion und Kultur geführt“ habe. Daher werde „individualisierte Religiosität" darauf aus sein, "inhaltlich variabel und konfessionell unabhängig bleiben zu wollen“. Dies erfordere eben jene konfessions- oder religionsübergreifende Kommunikationspastoral. DT/dsc
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