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Ehrgeizig, ehrgeiziger, Ronaldo

Warum „CR7“ Cristiano Ronaldo auch noch mit 39 Jahren bei der EM eine Hauptrolle spielt.
Cristiano Ronaldo mit 39 Jahren bei der EM
Foto: IMAGO/Anke Waelischmiller/SVEN SIMON (www.imago-images.de) | Cristiano Ronaldo wird auf seine alten Tage nun auch noch zum Teamplayer. Damit könnte es Portugal bei diesem Turnier weit bringen.

Cristiano Ronaldo will der Größte sein, den der Fußballsport je hervorgebracht hat. Ob er aber wirklich der GOAT, der „Greatest of all time“, genannt werden darf, ist mehr als zweifelhaft. Der liebe Gott hat, wie in allen Dingen so auch in Sachen Fußball, die Talente ungleichmäßig verteilt. Das angeborene Genie eines Pelé, Johan Cruyff, Diego Maradona, Zinédine Zidane oder Lionel Messi wurde Ronaldo nicht geschenkt.

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Sicher, weit überdurchschnittlich begabt ist auch Cristiano. Dennoch dürfte „CR7“ nicht einmal der talentierteste „Ronaldo“ sein. Denn so gut wie alle, die sich an die Hochzeit des brasilianischen Ronaldo – von der italienischen Presse treffend „Il Fenomeno“ getauft – erinnern, werden sagen: Dieser Ronaldo hatte etwas geradezu Magisches, was ihn noch besser sein ließ, als selbst der unglaubliche Cristiano zu seinen besten Zeiten war.

Tränen in Saudi-Arabien, Jubel in Deutschland

Dass aus Cristiano Ronaldo eine lebende Fußballlegende geworden ist – er ist immerhin fünf Mal als Weltfußballer des Jahres geehrt worden – dürfte vor allem mit seinem unbändigen Willen, seiner hyperprofessionellen Einstellung und seinem geradezu übermenschlichen Ehrgeiz zu tun haben. Mit diesen Eigenschaften hat er das Maximum aus seiner gottgeschenkten Begabung herausgeholt, wenn auch um den Preis, dabei nicht selten eitel, arrogant und egomanisch zu wirken.

Als Ronaldo im letzten Jahr von Manchester United in die sportlich nicht satisfaktionsfähige saudi-arabische Liga wechselte, galt seine Karriere damit praktisch als beendet. Cristiano hätte es sich bei seinem neuen Arbeitgeber leicht machen können: das irrwitzige Gehalt einstreichen, einen Gang zurückschalten und es sportlich ganz gemütlich angehen lassen. Aber der portugiesische Superstar wäre nicht der Weltklassespieler, der er geworden ist, wenn er sich auf halbe Sachen einlassen könnte. Als sein Team das Finale des saudi-arabischen Pokals im Elfmeterschießen verlor, flossen bei Ronaldo so hemmungslos die Tränen, als sei gerade der größte Karrieretraum geplatzt.

Im Alter zum Teamplayer geworden

Es ist diese absolute Hingabe ans Spiel und dieses unbedingte Gewinnenwollen, die Ronaldo zu einer der größten Figuren des Weltfußballs haben werden lassen. Nur so ist es auch zu erklären, dass Cristiano, der sich mit seinen 39 Jahren eigentlich schon im Fußballrentenalter befindet, auch bei dieser EM wieder eine sportliche Hauptrolle für sein Land Portugal übernimmt. Beim gestrigen Drei-zu-Null-Sieg gegen die Türkei spielte Ronaldo nicht nur die gesamten 90 Minuten durch, sondern bereitete auch den dritten Treffer vor. Dabei zeigte er sich von einer kaum bekannten Seite: Direkt auf den türkischen Tormann zulaufend, schloss er nicht etwa selbst ab, sondern legte ganz uneigennützig auf den mitlaufenden Bruno Fernandes ab, der nur noch einschieben musste. Wenn Ronaldo auf seine alten Tage nun auch noch zum Teamplayer wird, könnte es Portugal bei diesem Turnier weit bringen.

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Sebastian Ostritsch EM2024

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