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Macron: Nach mir das Chaos

Mit Blick auf den zweiten Wahlgang zur Nationalversammlung gibt Emmanuel Macron der extremen Linken den Vorzug. Das Einzige, was er damit erreichen wird, ist, Marine Le Pen als nächste Präsidentin noch attraktiver erscheinen zu lassen.
Emmanuel Macron
Foto: IMAGO/Jeanne Accorsini/Pool/Bestimage (www.imago-images.de) | Der französische Präsident Emmanuel Macron hat Frankreich politisch gründlich vor die Wand gefahren. Die Macron-Show neigt sich dem Ende zu.

Emmanuel Macron hat den Karren gründlich vor die Wand gefahren. Das dürfte selbst ihm spätestens jetzt klar sein, auch wenn der zweite Wahlgang der Neuwahlen zu Frankreichs Nationalversammlung noch aussteht. Die One-Man-Show, die Emmanuel Macron seit 2017 abzieht, musste irgendwann enden und sie tut es mit Pauken und Trompeten. Wunderkind der Politik, Liebling der Finanzwelt – lange sind die Zeiten vergessen, in denen die Leitmedien ihm schmeichelten. 

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Wenn der Präsident wirklich dachte, durch die Auflösung der Nationalversammlung um sich selbst herum eine breite Front von der gemäßigten Linken bis zur gemäßigten Rechten versammeln zu können, hat er sich ordentlich verzockt. Und zwar komplett selbstverschuldet: Das weitgehende Verschwinden von Sozialdemokratie und den Konservativ-Bürgerlichen ist auch seinem rücksichtslosen Vorgehen zu verdanken. Das Erstarken der beiden Extreme links- und rechtsaußen geht auf Macrons Konto. 

Bündnis mit der Volksfront

Dass er sich nun faktisch mit der von der linksextremen „La France insoumise“ dominierten Neuen Volksfront gegen rechts verbündet, ist mehr als ein Spiel mit dem Feuer. Es ist die Verzweiflungstat eines Mannes, der lieber sein Land im Chaos versinken sehen will, als seine Niederlage einzugestehen. Damit gibt er von beiden Extremen jener Linken den Vorzug, die regelmäßig durch antisemitische Äußerungen auffällig wird, für unbegrenzte Immigration steht, Polizisten entwaffnen, Eigentümer enteignen, Leistungsnachweise in Schulen streichen und das Ganze mit Steuererhöhungen in Milliardenbeträgen finanzieren möchte. Über der spontanen Demonstration gegen rechts, die sich am Sonntagabend auf der Place de la République zusammengefunden hat, wehten Palästina- neben LGBT- und Antifa-Fahnen.

Die extreme Linke stellt zum jetzigen Zeitpunkt eine viel größere Gefahr für Frankreichs Gesellschaft und ihre Institutionen dar als der Rassemblement National (RN), der sich jetzt, da eine Teilhabe an der Regierung in greifbare Nähe rückt, sehr schnell bemüht hat, sein populistisches Programm weiter in die Mitte zu rücken. Trotzdem rufen Emmanuel Macron und Gabriel Attal nun ihre Kandidaten dazu auf, sich in den Wahlkreisen zurückzuziehen, in denen ein Kandidat des linken Bündnisses größere Chancen hat, den Rassemblement National zu schlagen. Das Vorgehen hat schon in der Vergangenheit dafür gesorgt, Kandidaten des RN zu blockieren. Trotzdem ist die Zahl von RN-Abgeordneten seit 2012 innerhalb von zehn Jahren von drei auf 90 gewachsen und dürfte in einer Woche weit über 200 von 577 liegen.

Frankreich könnte unregierbar werden

Nun gibt es mit Blick auf den zweiten Wahlgang am 7. Juli zwei Optionen: Entweder, aber immer unwahrscheinlicher, stellt der Rassemblement National mit seinen Verbündeten in Zukunft die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung und damit den Premierminister – der sich immer noch mit Emmanuel Macron als Präsident auseinandersetzen muss –, oder aber das Land wird faktisch unregierbar. Denn wenn keiner der drei großen Blöcke eine absolute Mehrheit auf sich vereinen kann, müssen zu jedem einzelnen Gesetzesentwurf wechselnde Mehrheiten gesucht werden.

Das war seit 2022 schon schwierig, es dürfte bei der neuen Konfiguration der Nationalversammlung fast unmöglich werden. Und doch scheint Emmanuel Macron Letzteres zu bevorzugen und kalkuliert sogar die Möglichkeit ein, das Linksbündnis zur stärksten Kraft werden zu lassen. Das Einzige, was er damit erreichen wird, ist, Marine Le Pen als nächste Präsidentin noch attraktiver erscheinen zu lassen.

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Franziska Harter Emmanuel Macron Marine Le Pen Rassemblement National

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