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Benny Gantz, Israels Alternative

Benny Gantz will Israel schützen und Netanjahu stürzen. Doch der langjährige Berufssoldat muss feststellen: Netanjahu lässt sich kaum verdrängen.
Der israelische Oppositionsführer Benny Gantz
Foto: IMAGO/Eyal Warshavsky (www.imago-images.de) | Gantz verspricht seinen potenziellen Anhängern einen Deal zur Freilassung der 120 Geiseln. Das Thema ist inzwischen zu einer emotionalen  Bewegung gediehen.

Benny Gantz machte sich am 9. Juni zu seinem 65. Geburtstag ein Eigen-Geschenk, das seinen Regierungschef alles andere als erfreut. Der langjährige Berufssoldat, der nach einer Schonfrist 2016 in die Politik einstieg, die Partei „Widerstandskraft für Israel“ gründete, verließ jetzt die
rechtsnationale Koalitionsregierung, die Benjamin Netanjahu seit Ende 2022 führt.

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Für Bibi – wie Freund und Feind den amtierenden Ministerpräsidenten vermeintlich freundlich nennen – war das ein Akt der Undankbarkeit. Denn er hatte Gantz 2011 zum Oberbefehlshaber der IDF ernannt und ihn später als Verteidigungsminister berufen. Seither ist viel geschehen, was Israel und den Nahen Osten grundsätzlich verändert hat.

Der Zeitpunkt des Ausstiegs war unglücklich gewählt

Die Terror-Organisation Hamas fiel am 7. Oktober 2023 über den Süden Israels her. Vier Tage danach überwand  Gantz alle Vorurteile gegen
Netanjahu und trat in die Notstandsregierung ein. Nicht ganz uneigennützig. Denn er will nicht nur Israel schützen, sondern auch Netanjahu stürzen. Im neunten Monat nach Kriegsbeginn muss er erkennen, dass sich Netanjahu nicht so einfach aus dem Amt drängen lässt.

Der Zeitpunkt des Ausstiegs war auch unglücklich gewählt. Denn am Vortag hatten Spezialeinheiten der israelischen Armee vier Geiseln unverletzt befreit. Netanjahu sonnte sich in dem Erfolg. Gantz blieb im Schatten. Sein Ultimatum an Netanyahu mit dem Ziel, ein Konzept für den Tag nach dem Krieg vorzulegen, wirkt nicht besonders überzeugend, weil auch die Opposition zu dem Thema keinen vernünftigen Vorschlag anzubieten hat. Der Rücktritt hinterlässt Spuren der Schwäche an seiner politischen Statur. An den Mehrheitsverhältnissen ändert sich auch nichts, Netanyahu bleibt an der Macht und der ultrarechte Koalitionspartner gewinnt wieder an Bedeutung.

Politisch nicht weit auseinander

Dabei liegen die beiden Kampfgefährten aus alten Tagen politisch nicht weit auseinander. Aber Gantz wirkt liberaler und nachgiebiger, will damit im säkular-intellektuellen Wählervolk punkten. Seine holprige, emotionslose Redeweise nutzt ihm in diesem Umfeld sogar. Sie kommt ehrlicher beim Wähler an als die geschliffene Rhetorik des Amtsinhabers.

Gantz verspricht seinen potenziellen Anhängern einen Deal zur Freilassung der 120 Geiseln. Das Thema ist inzwischen zu einer emotionalen  Bewegung gediehen. Befreit vom Zwang eines Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett Netanyahu will er sich diese Bewegung zunutze machen. Der gewünschte Erfolg ist aber noch nicht sichtbar. Der Krieg tobt inzwischen unvermindert weiter.

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